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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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vorstellig zu werden.“
    Einigermaßen überrascht, einen Mann niedrigen Standes so selbstbewusst mit einer Dame des Adels reden zu hören, sah sie ihn sich genauer an. Er mochte Mitte zwanzig sein, war erstaunlich breitschultrig und hochgewachsen, hatte ein eher hageres Gesicht mit klugen, grauen Augen, eine freche Nase und einen fein geschnittenen Mund. Seine dunkelblonden Haare waren kinnlang, und er hatte für einen Maler auffallend kräftige Hände.
    „Kommt mit.“ Marie drehte sich um und ging voran in das Arbeitszimmer ihres Vaters. Als er ihr zögernd folgte, fügte sie noch hinzu: „Lasst die Tür offen und zeigt mir, was Ihr habt.“
    Anstatt ihr artig Folge zu leisten, trat er ein und zeigte auf das Porträt des verstorbenen Grafen.
    „Wer ist das?“
    „Das ist der Hausherr, Monsieur. Wollt Ihr mir jetzt endlich zeigen, was Ihr als Referenzen mitgebracht habt?“, fragte sie dann ungeduldig.
    Der junge Mann nickte. Er war schließlich Maler und hatte gelernt, in Gesichtern zu lesen und hinter Fassaden zu schauen. Nicht zuletzt diese Fähigkeit machte einen guten Porträtisten aus. Maries kleine Unsicherheit war ihm nicht entgangen. Außerdem war ihm nicht verborgen geblieben, dass es keinen Hausherrn mehr auf diesem Schlosse gab. Aber er ließ sich nichts anmerken.
    Schließlich öffnete Julien seine mitgebrachte Mappe, zeigte Marie, was er in letzter Zeit gemalt hatte, und erklärte ihr auch seine Skizzen und Studien. Dann legte er ihr einige Zeugnisse vor, die Marie kurz überflog.
    Sie war beeindruckt. Der junge Mann hatte seine Ausbildung unter anderem bei einem der wohl bekanntesten Lehrmeister in Paris gemacht und vor ein paar Monaten mit ausgezeichneten Zeugnissen abgeschlossen. Ganz abgesehen von den verschiedenen Diplomen der weit über die Landesgrenzen hinaus angesehenen Faculté des Arts et Metiers, die ebenso nur mit den besten Abschlüssen glänzten.
    „Ich möchte ein Geschenk für den Vater meines Bräutigams malen lassen“, log sie schließlich, drehte sich um und zeigte auf das Landschaftsbild. „Er liebt dieses Bild sehr, das ich im Original aber nicht hergeben möchte. Deshalb sollt Ihr es für mich kopieren. Aber so präzise wie nur irgend möglich. Seid Ihr dazu in der Lage?“
    Julien zog die Augenbrauen hoch.
    „Eine Kopie?“ Erstaunen lag in seiner Stimme. „Davon?“
    Die Art, wie er dieses “davon” aussprach, ließ eine kritische Falte auf Maries Stirn entstehen.
    „Wenn Ihr dazu nicht in der Lage seid, empfehle ich Euch, es mir gleich zu sagen. Ich lasse Euch ein Essen geben und den Ausgang zeigen“, sagte sie bestimmt.
    Beschwichtigend hob er beide Hände.
    „Nun, es bereitet mir absolut keine Schwierigkeiten, die gewünschte Kopie für Euch zu fertigen, Demoiselle“, befleißigte sich Julien sofort zu sagen, die steile Falte auf Maries hübscher Stirn richtig deutend. „Es scheint sich um eine sehr alte Schule zu handeln“, fuhr er eilig fort, worauf sich der Gesichtsausdruck der jungen Dame wieder entspannte. „Allerdings wundere ich mich … Darf ich?“
    Ohne abzuwarten, was sie zu sagen hätte, trat er einen Schritt auf das Bild zu.
    Julien streckte den Zeigefinger aus, um die abgeplatzte Stelle damit zu berühren. Marie hinderte ihn jedoch schnell daran, indem sie sich zwischen ihn und das Bild stellte, wobei die bewusste Stelle hinter ihrem Rücken verschwand.
    „Nun?“
    Julien zog den ausgestreckten Arm wieder zurück und legte nachdenklich seinen Zeigefinger auf die Lippen.
    „Demoiselle, es bereitet mir mit Sicherheit keine Probleme, dieses Bild zu kopieren, wenn Ihr mir genügend Zeit dafür lasst. Nur …“ Da war sie wieder, diese Stirnfalte, mit der die junge Dame offenbar ihren Missmut auszudrücken pflegte. „Nur hoffe ich, dass ich Euren Wünschen auch gerecht werden kann“, beendete er deshalb seinen Satz schnell. Er verneigte sich leicht und blieb abwartend stehen.
    „Gut.“ Marie zog den Glockenstrang neben sich.
    Augenblicklich trat Honoré ein, als hätte er vor der Tür gewartet.
    „Da wäre allerdings noch eine Frage zu klären“, sagte Julien und schloss sorgfältig seine mitgebrachte Mappe wieder mit einem verblichenen Band.
    „Ihr meint die Bezahlung? Oh, darüber braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen, Monsieur. Das wird in Ordnung gehen. Ihr könnt außerdem so lange im Schloss wohnen bleiben, bis Ihr fertig seid - nur, falls das Eure nächste Frage gewesen wäre.“
    „Es ist mir eine Ehre,

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