Die Rose von Angelâme (German Edition)
Demoiselle.“
„Honoré, bring den Herrn in die Küche und lass ihm etwas zu essen geben. Er wird ein paar Tage hier bleiben und in einer der leer stehenden Dienstbotenkammern schlafen.“
Honoré trat schweigend einen Schritt zur Seite, um den jungen Mann vorbeigehen zu lassen, wobei er ihn kritisch musterte. Marie begnügte sich für den Augenblick damit, den beiden ungerührt nachzusehen und sich dann in den ledernen Sessel ihres Vaters fallen zu lassen.
Julien begann am nächsten Morgen mit seiner Arbeit.
Marie hatte ihm das Landschaftsbild durch einen ihrer Diener in das kleine Atelier bringen lassen, in dem damals ihr Vater jenem anderen Maler Modell für sein Porträt gesessen hatte, und das seither nie wieder benützt worden war. Julien fand darin eine Reihe verschieden großer Staffeleien, ein paar Pinsel, die er noch brauchen konnte, und einige andere Dinge, die er zu verwenden gedachte, um seine Kosten so gering wie möglich zu halten. Sorgfältig sortierte er alles aus, was nicht mehr zu verwenden war. Darunter mehrere dürre Pinsel, denen so ziemlich alle Haare ausgegangen waren, eingetrocknete Farben und vollkommen verschmutzte Holzpaletten und Reste von Seiden-und Leinwandstreifen, die in einer Schublade lagen.
Als Marie nach einiger Zeit hereinkam, scheuchte sie zunächst einen der Dienstboten hinaus, der neugierig da stand und Julien mit offenem Mund zugesehen hatte. Sie schloss energisch die Tür hinter ihm und beobachtete den jungen Mann gespannt, der völlig in seine Arbeit vertieft schien.
„Das Original wurde mit Tempera auf Holz gemalt“, stellte der Maler nach einiger Zeit sachlich fest, und legte seine Utensilien auf einem Tischchen aus, welches er sich bereitgestellt hatte. „Möchtet Ihr, dass ich die Kopie ebenfalls auf diese Weise erstelle?”
„Was bedeutet das, Tempera auf Holz?“, fragte Marie zurück und betrachtete das Bild, das er auf eine Staffelei gestellt hatte.
„Nun, zu der Zeit, als das Bild entstand, verwendete man hauptsächlich Holz als Unterlage. Die Künstler bemalten Holzbretter, die sie sorgfältig dafür präparierten. Manche glätteten die Oberfläche der Holztafeln, indem sie sie sorgfältig glatt schliffen. Manche bespannten sie mit allen erdenklichen Stoffen, die sie so lange mit Firnis bestrichen, bis sie eine dicke Auflage hatten, auf der sie schließlich malten.“ Er zeigte auf das Gemälde vor sich. „Hier kann man noch die Maserung erkennen. Der Maler hat mit Tempera direkt auf Holz gemalt. Allerdings …“
Marie unterbrach ihn.
„Was ist Tempera?“
„Das sind Farben, die aus verschiedenen pflanzlichen oder mineralischen Basisstoffen hergestellt werden. Es werden ihnen Bindemittel beigemischt, damit sie nach dem Trocknen nicht mehr abgewaschen werden können.“
„Bindemittel?“
„Ja, Eigelb, Honig, Tierleim …“
„Es scheint eine aufwendige Arbeit zu sein. Ihr könnt mit Öl auf Holz malen.“
„Öl ist einfacher, weil ich die Farben dabeihabe. Allerdings sind mir Leinwand und Tempera lieber, weil …“
„Tut, wie Ihr denkt.“
Sie wandte sich um und begann, die aussortierten Pinsel und Farben in einen Eimer fallen zu lassen. Julien hinderte sie jedoch rechtzeitig daran, auch einige Streifen Leinwand wegzuwerfen, die er sich auf dem Eichentisch bereitgelegt hatte, der mitten im Raum stand.
„Wozu braucht Ihr die denn?“, fragte sie.
„Mit denen kann ich Bilder restaurieren, deren Leinwand zerrissen oder durchgebrochen ist“, erklärte er und legte die Streifen zurück. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit.
Er maß das Original sorgfältig aus und spannte eines seiner mitgebrachten Leinwandstücke auf einen Rahmen, den er bereits vorbereitet hatte.
Die Grundierung war in relativ kurzer Zeit fertig, und jetzt begann der junge Mann, einige Punkte darauf zu fixieren, die er präzise ausgemessen hatte und vom Original auf seine Leinwand übertrug.
„Möchtet Ihr, dass ich das Bild restauriere, wenn ich mit der Kopie fertig bin?“, fragte er und zeigte auf die abgeplatzte Stelle.
„Restaurieren? Könnt Ihr das denn?“
Julien lachte.
„Natürlich kann ich das!“ Er warf einen schnellen Blick zu seiner Mappe hinüber, in der unter anderem auch ein Zeugnis über seine letzte Prüfung zum Restaurator lag. „Es sei denn …“
„Es sei denn?“
„Nun, es sei denn, Ihr möchtet Euer Bild einfach so lassen, wie es ist. Aus welchen Gründen auch immer“, vollendete er seinen Satz und wandte sich
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