Die Rose von Angelâme (German Edition)
Heiratsangelegenheiten nicht nur in den eigenen Reihen umzusehen.“
Marie kniff die Augen zusammen und sah ihn prüfend an.
„Mein Vertrauen gehört Euch“, log sie dann, ohne rot zu werden.
„Es ist mir eine Ehre, dass Ihr es so seht“, freute sich Monsieur Sebastien und deutete einen Handkuss an. „Ihr wisst, dass ich Euch immer genauso gerne zur Verfügung stehe, wie ich es für Euren Herrn Vater getan habe. Was auch geschehen möge: Ich werde immer auf Eurer Seite sein.“
„Das habe ich bis heute niemals anders gesehen“, sagte sie vieldeutig und entzog ihm ihre Hand. Dann wandte sie sich um und verließ den Raum.
Auf dem Weg nach Hause schaute sie aus dem Fenster ihres kleinen, geschlossenen Schlittens, den Louis, ihr Diener, für sie lenkte. Ihr Blick wanderte über die schneebedeckten Felder, die an Angelâme angrenzten bis hinüber zu ihrem Schloss, welches von hohen Bäumen umstanden war. Durch die kahlen Zweige hindurch konnte man die stolze Silhouette der Gebäude sehen, die sich im fahlen Dunst des früh einbrechenden Abends noch deutlich abhoben.
Plötzlich schrie sie entsetzt auf. Es war nicht nur Dunst, der über dem Schloss stand, sondern vor allem – Rauch.
„Feuer!“
Sie hieß den Kutscher, die Pferde anzutreiben, aber der hatte es im selben Augenblick auch gesehen und ließ bereits die Peitsche knallen. Schnee stob hinter den Hufen der Tiere auf, als sie mit ihrer leichten Last davon stürmten. Kurze Zeit später erreichte das Schlittengespann zusammen mit dem Fuhrwerk der Feuerwehr das Schloss.
„Es wird schwierig werden, das Feuer zu löschen!“, rief einer der Männer dem Kommandanten gerade zu, als sie eintrafen. „Das Wasser im Löschteich ist gefroren! Los, aufhacken und sofort eine Eimerkette bilden! Ihr da, steht nicht rum und haltet Maulaffen feil!“ Das galt dem verstört dreinblickenden Personal. „Die Schläuche ausrollen und an die Pumpen!“ Dies wiederum galt den Männern der Feuerwehr, die bereits mit fliegenden Händen ihr Bestes gaben, dem Feuer Einhalt zu gebieten.
Marie beachtete die hastig umherlaufenden Menschen kaum, die Befehle schrien, Eimer schleppten, Wasser pumpten und versuchten, zu retten, was zu retten war. Sie stand nur stumm vor Entsetzen inmitten des Durcheinanders und starrte auf das Bild, welches sich ihr bot.
Aus ihrem Arbeitszimmer loderten weiterhin Flammen und dicke, schwarze Schwaden stiegen in den winterlichen Abendhimmel.
Angelâme im Jahre des Herrn 1841
Marie hatte alle Hände voll zu tun. Der Teil des Schlosses, in dem ihr Arbeitszimmer gebrannt hatte, musste renoviert werden. Monsieur Sebastien hatte ihr einen Baumeister empfohlen, der die nötigen Handwerker kannte und darüber hinaus schnell zur Verfügung stand.
Ruß, Wasser und Dreck hatten neben den wütenden Flammen ganze Arbeit geleistet. Von den Bücherregalen an den Wänden, dem Schreibtisch, den Teppichen und den Bildern waren nur noch nasse, schwarze Haufen übrig geblieben. Die Wände waren völlig verrußt, überall bröckelte der Putz ab, die Fenster zum Garten waren geborsten, die Türen verkohlt. Alles musste entfernt und ersetzt werden. Das Inventar jedoch war unwiederbringlich verloren.
Über der ganzen Aufregung vergaß Marie völlig die Welt um sich herum.
Bis plötzlich eines Morgens Julien vor ihr stand.
„Julien!“ Marie war so verblüfft, dass ihr fast die Stimme wegblieb. „Wo kommt Ihr denn her?“
„Das erzähle ich Euch später - wenn Ihr erlaubt“, antwortete er, sich ihrer Belehrungen erinnernd. „Demoiselle, eine Frage: Bitte, existiert das Bild noch, das ich kopiert habe?“
Marie nickte. Sie war viel zu überrascht ihn hier zu sehen, als dass sie sich seines erneut reichlich direkten Benehmens wegen hätte aufregen können. Außerdem schlug ihr das Herz bis zum Hals vor Freude darüber, ihn wieder in ihrer Nähe zu wissen. Sie befürchtete fast, er könne es bemerken und falsche Schlüsse daraus ziehen. Deshalb verbarg sie ihre zitternden Hände in den Taschen ihres dunklen Hauskleides.
„Das Original existiert noch, zum Glück. Es steht unversehrt im Atelier. Allerdings hatte ich Eure Kopie in das Arbeitszimmer meines Vaters hängen wollen und dann auf den Boden gestellt, weil der Nagel nicht hielt. Es tut mir sehr Leid für die gute Arbeit, aber die ist mit den anderen Sachen verbrannt.“
„Macht Euch darum keine Gedanken, Demoiselle. Ich habe gesehen, was passiert ist“, sagte er. „Wisst Ihr denn, warum das
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