Die Rose von Angelâme (German Edition)
Arbeitszimmer in Brand geraten ist?“
„Nein.“ Marie schüttelte den Kopf. „Selbst Gendarmerie und Feuerwehr sind ratlos. Sie vermuten, eine vergessene Kerze sei der Grund dafür gewesen, die unbeaufsichtigt heruntergebrannt sein könnte. Das viele Papier in diesem Raum wurde schnell ein Fraß der Flammen.”
„Ihr scheint nicht so recht an die Vermutung mit der Kerze zu glauben.“
„Da habt Ihr allerdings Recht. Ich habe niemals eine Kerze unbeaufsichtigt irgendwo brennen lassen“, erklärte sie. „Bereits mein Vater hat alle im Schloss strikt dazu angehalten, kein offenes Feuer unbeaufsichtigt zu lassen, und soweit ich weiß, haben sich bislang auch alle Bewohner daran gehalten. Außerdem: Warum hätte ich eine Kerze im Arbeitszimmer brennen lassen sollen? Ich habe es kurz nach Mittag verlassen, um meinen Anwalt wegen der Gerichtsprotokolle zu besuchen. Von ihm erhoffte ich ein wenig mehr Aufschluss darüber, was es mit diesen Unterlagen auf sich haben mag. Ihr wisst schon.“
„Seltsam. Das würde bedeuten, dass …“
„Was auch immer es bedeuten mag, es ist geschehen“, unterbrach ihn Marie, die langsam ihre Fassung wieder gewonnen hatte und sich ihrer Stellung als Herrin auf Angelâme bewusst wurde. Was um alles in der Welt hatte sie nur so durcheinander gebracht?
„Kann ich das Originalbild sehen?“, fragte Julien.
„Ja, sicherlich. Es befindet sich immer noch im Atelier. Ich hatte bis jetzt nur noch keine Zeit, mich darum zu kümmern.“
Er zog sie ein Stück von der Tür weg, die zum Flur führte, und wo sie seit Juliens Eintreffen gestanden hatten. Marie ließ es überrascht geschehen.
„Kennt jemand den Inhalt der Gerichtsprotokolle?“
Marie zögerte. Sie wusste es nicht. Das Gespräch der beiden Männer in Sebastiens Kanzlei ließ eine Vermutung zu, für die sie bislang keine Erklärung gefunden hatte.
„Demoiselle“, sagte er leise. „Ich habe Euch den Grund meines Hierseins noch nicht genannt.“
„Ach ja. Aber warum flüstert Ihr?“
„Weil … verzeiht, weil ich nicht möchte, dass jemand zuhören kann.“ Er wartete auf eine Reaktion, als sie jedoch ausblieb, fuhr er fort: „Als ich nach meiner Abreise in Tours ankam und ein Quartier suchte, tauchten zwei Männer auf, die mich in ihr Büro baten. Angeblich hatten sie eine Familiensache mit mir zu besprechen. Ich folgte ihrer Bitte, weil ihr Anliegen aus Gründen glaubhaft klang, die jetzt nichts zur Sache tun. Ich merkte aber schnell, dass der genannte Grund lediglich als Vorwand dafür diente, mich stundenlang über ganz andere Dinge auszufragen.“
Marie starrte ihn an.
„Auszufragen? In Tours?“
„Tours ist meine Heimatstadt“, erklärte Julien. „Ich war auf dem Weg zu meiner Mutter.“
„Ich dachte, Ihr wolltet noch weiter in den Süden?“
„Das wollte ich ursprünglich auch. Aber dann beschloss ich, vorher meine Mutter zu besuchen und bin nach Tours gereist.“
„Ein Verhör also? Was habt Ihr denn angestellt?“
„Zunächst habe ich auch so etwas vermutet: Ich dachte, es hätte etwas mit dem Bild zu tun, welches ich kopiert habe, bevor ich zu Euch kam.“
„Ich wusste nicht, dass so etwas strafbar ist“, sagte sie und schaute ihn Hilfe suchend an.
Er grinste vielsagend. „Eine Kopie anzufertigen ist auch nicht unbedingt strafbar. Wohl aber, diese als Original zu verkaufen.“
„Das habt Ihr getan?“, entrüstete sich Marie.
„Das traut Ihr mir zu?“, fragte er genau so entrüstet zurück. „Nein, ich nicht, womöglich aber mein damaliger Auftraggeber.“
„Und Ihr wusstet davon?“
Julien lächelte vielsagend und zuckte die Achseln.
Marie nickte in fassungslosem Verstehen.
„Deshalb glaubte ich anfangs auch darin den Grund, weshalb die beiden Herren zunächst über eine Kopie sprachen“, fuhr Julien fort. „Bis ich merkte, wir reden von verschiedenen Bildern. Sie wollten mehr über Euer Gemälde wissen, Demoiselle.“
„Aber wer sollte denn an diesem Bild Interesse haben, dazu hin noch in Tours? Ihr sagtet doch es sei nicht strafbar, ein Bild zu kopieren!“
„Vertraut mir: Nein, es ist nicht strafbar.“
„Vertrauen ist gut“, murmelte Marie vor sich hin, die nicht so recht wusste, was sie von der ganzen Angelegenheit halten sollte.
„Es handelt sich bei diesen Männern angeblich um Mitglieder irgendeiner dubiosen Gesellschaft, die sich mit ungeklärten Fällen des Mittelalters beschäftigt. Die Fragen, die man an mich richtete, drehten sich nämlich nicht nur
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