Die Rose von Angelâme (German Edition)
Symbolik der Bilder!“
„Die Symbolik der Bilder?“
„Genau. Verschiedene Gegenstände, Blumen und Pflanzen zum Beispiel, stehen für bestimmte Hinweise. Kennt Ihr nicht die unzähligen Bilder der Madonna mit der Lilie, die die Reinheit der Muttergottes symbolisiert? Sie trägt meistens auch ein rotes Kleid und einen blauen Mantel, um ihre königliche Abstammung herauszustreichen.“
„Rot!“ Marie erinnerte sich an einige Aussagen der gequälten Rose, die mit dieser Farbe zu tun hatten.
„Rot. Die Farbe der Liebe, aber auch des Feuers, der Leidenschaft. In alten Zeiten auch die Farbe der Macht, des Blutes, der Justiz.“
„Welches Rot war wohl in Roses Protokollen gemeint?“
Julien sah sie aufmerksam an.
„Was sagtet Ihr?“
„Wir sprachen von rot, Julien. Ich glaube, wir sollten doch lieber morgen weitermachen, und jetzt ins Bett gehen. Ich bin sehr müde und Ihr auch.“
„Das ist es“, sagte Julien und schnippte mit den Fingern.
„Das ist was?“
„Die ganze Zeit über habe ich nach einem Gedankenfetzen gesucht, der mir ständig entwischte. Ich wusste, irgendetwas in den Protokollen erinnerte mich an Euer Bild, und irgendetwas an Eurem Bild verband sich auf seltsame Weise scheinbar mit den Protokollen.“
„Und was ist es nun?“, fragte Marie schläfrig.
„Rot. Die Farbe Rot.“
Er stand auf.
„Ihr habt recht: Die Nacht ist schon sehr weit fortgeschritten. Ich ziehe mich zurück, wenn Ihr erlaubt, und wünsche angenehm zu ruhen.“
Marie reichte ihm ihre Hand, die er zart mit den Lippen berührte. Dann ging er zur Tür, drehte geräuschlos den Schlüssel um und trat hinaus in den Flur.
„Ich erinnere mich, wo sich mein ehemaliges Zimmer befindet“, flüsterte er, „und gehe davon aus, dass ich dort schlafen kann?“
„Natürlich. Gute Nacht, Julien.“
Er winkte ihr kurz zu und verschwand dann leise im Dunkeln.
Marie nahm vage die schlanke Gestalt wahr, die sich am Ende des Flurs in einer Türnische verborgen gehalten hatte und jetzt hervortrat, als Julien dort ankam.
Jeanette.
Marie schloss die Tür hinter sich wieder ab und ging in ihr Schlafzimmer. Als sie endlich in ihrem Bett lag, schlief sie augenblicklich ein. Es war in vielerlei Hinsicht eine aufregende Nacht gewesen.
Julien machte sich am nächsten Tag im Atelier an die Arbeit, nachdem Marie nach ihm schicken hatte lassen. Dabei zerbrach er sich ständig den Kopf darüber, weshalb sein Vater so etwas Unsinniges wie diese Fälschung gemacht haben mochte.
Warum sollte das darunter liegende Porträt eines Tages wieder zum Vorschein kommen? Oder, anders herum gefragt: Warum sollte es verschwinden? Er war sich ziemlich sicher, dass sein Vater bewusst ein Trennmittel über das Original gelegt hatte, bevor er es übermalte. Die oberen Schichten ließen sich viel zu leicht lösen. Ein Wunder, dass sie überhaupt so lange gehalten hatten.
Hatte Maries Vater etwas davon gewusst?
„Wir werden herausfinden, was dahinter steckt“, sagte der junge Mann zu seiner Auftraggeberin, die reglos neben ihm stand. Sie sah auf das Bild hinunter, das vor ihr auf dem Tisch lag.
„Und hier sind solche Symbole versteckt, von denen Ihr heute Nacht gesprochen habt?“, fragte sie.
„Zumindest habe ich beim Kopieren einige Dinge darauf entdeckt, die mir sehr seltsam vorkamen“, erklärte Julien mit einer unbestimmten Geste über dem Gemälde. „Ich würde das Bild gerne noch einmal genauer ansehen und alle Ungereimtheiten, die mir auffallen, auf einen Bogen Papier übertragen. Vielleicht kommen wir dann hinter das Geheimnis, welches darin liegt.“
„Falls es eines gibt“, wandte Marie ein und ging zur Tür. „Ich denke aber, es ist besser, wenn Ihr hinter mir absperrt und niemanden herein lasst.“
Julien lächelte amüsiert, was ihr nicht entging. Allerdings wusste sie nicht, dass er längst erraten hatte, was außer der Besorgnis um die Geheimhaltung ihrer Aktion noch dahinter steckte.
Im Ort kaufte er einen Bogen Papier und schnitt ihn genau im Format des Bildes zurecht. Dann zeichnete er darauf ein Raster, das ihm beim Übertragen der Punkte helfen sollte, die ihm aufgefallen waren. Außerdem spannte er in denselben Abmessungen Fäden als Hilfsmittel über das Bild.
Dann maß er sorgfältig die gefundenen Symbole aus und markierte sie auf dem Papier.
Diesen Vorgang wiederholte er auf einer Leinwand, die er in einen Rahmen gespannt und auf eine Staffelei gestellt hatte. Die Leinwand hatte er sorgfältig
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