Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
Vom Netzwerk:
grundiert und für die erneute Kopie des Bildes vorbereitet, die er jetzt Schritt für Schritt ausführte.
    Als er ganz sicher war, nichts übersehen zu haben, und eine zweite Kopie des Landschaftsbildes fertig hatte, begann er, das alte Bild vorsichtig abzutragen.
    Dazu entfernte er Stückchen für Stückchen der oberen Farbschicht, immer darauf bedacht, das darunter liegende Gemälde nicht zu beschädigen. Sein Vater war wirklich sehr umsichtig gewesen. Das Trennmittel, welches er benützt hatte, kam dem jungen Mann zugute. Während seiner Arbeit dachte er angestrengt darüber nach, was genau jener wohl verwendet haben mochte. Es fiel ihm nicht ein und er nahm sich vor, einen seiner Lehrer danach zu fragen, sobald er in hoffentlich nicht allzu fernen Tagen wieder nach Paris kam.
    Vier Tage später kam Marie zu ihm um sich anzusehen, was er inzwischen gemacht hatte, und erschrak. Obwohl noch einiges unter dem Landschaftsbild verborgen war, schien ihr, als schaue sie um Hunderte von Jahren zurück in einen Spiegel. Diese Frau auf dem Porträt hatte ihre kupferfarbenen Haare, ihre grünbraunen Augen, ihre Nase. An der Armspange, die um ihr Handgelenk lag, hing ein kleines, goldenes Herz mit den Initialen RCA.
    „Es ist das Bildnis der Rose“, sagte Marie atemlos.
    Ros Cmts Anglam AD 1305
    Deutlich waren die ockerfarbenen Buchstaben links unten im dunklen Feld des Bildes neben der Hand der Frau zu sehen, die eine Schulter ein wenig nach hinten, den Kopf jedoch fast gänzlich dem Betrachter zugewandt hatte.
    Julien war aufgestanden.
    „Demoiselle!“ Er sah sie an. „Vielleicht ist es ja auch nur eine Fälschung. Anfang des 14. Jahrhunderts hat man noch nicht viele Einzelporträts, und schon gar nicht auf diese Weise gemalt!“
    Sie starrte Julien einen Augenblick lang irritiert an.
    „Noch eine Fälschung?“ Sie stöhnte resigniert auf. Die ganze Geschichte raubte ihr langsam die Geduld.
    „Allerdings gab es in Italien einige begabte Künstler, die heimlich mit solchen Darstellungen experimentiert haben. Sie brachten diese Kunst vermutlich aus arabischen Ländern mit“, wandte er ein, als er ihre Resignation wahrnahm. „Auf einen italienischen Künstler ließe auch die Schriftart hier schließen. Im Frankenreich des 14. Jahrhunderts schrieb man in gotischen Lettern, das hier ist Rotunda, eine zur selben Zeit in Norditalien verwendete gebrochene Schriftart.“
    „Dieses Bild ist mir unheimlich.“
    „Ich finde, es ist sehr gut gelungen.“
    „Ihr wisst ja nicht, wie ich überhaupt darauf aufmerksam geworden bin“, sagte Marie und sah ihn an wie ein Kind, das versucht, einem verständnislosen Erwachsenen seine Gedankengänge zu erklären.
    Sie holte das andere Gemälde von dort, wo sie es vor dem Brand abgestellt hatte. Da es mit dem Gesicht zur Wand gestanden hatte, war es Julien bislang nicht aufgefallen.
    „Der gemalte Mann, der auf diese Stelle starrte, die ich dann aufgekratzt habe, dieser Mann war bestimmt mit Rose verheiratet. Ich nehme an, das ist sein Name unten links in der Ecke: ALBR. Eine Jahreszahl ist hier rechts zu sehen: 1305.“
    Julien betrachtete das Gemälde eingehend.
    „Es stammt tatsächlich vom selben Maler“, bestätigte er. „Er hat die beiden sogar vor denselben Hintergrund gesetzt.“
    Um ihr zu zeigen, was er meinte, stellte er die Bilder so nebeneinander, dass zwischen ihnen lediglich das Fenster fehlte, vor dem sie gesessen haben mochten, als der unbekannte Künstler sie malte.
    Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn. „In den Akten ist der Name von Roses Ehemann mit Albert vermerkt.“ Mit der anderen Hand wies er auf die ockerfarbenen Lettern. „Könnte also stimmen.“
    „Seltsam.“
    „Was?“
    „Dass dieser Mann hier nach fünfhundert Jahren seiner Frau noch verbunden ist.“
    „Das verstehe ich nicht.“
    „Er hat im Arbeitszimmer meines Vaters seit ewigen Zeiten zu ihr herüber geschaut und mich überhaupt erst darauf gebracht, einmal genauer hinzusehen“, begann sie und erzähle ihre Geschichte. „Mein Vater muss es ganz bewusst so aufgehängt haben, dass dieser Albert da draufschaute.“
    „Nun, ein wenig seltsam ist das schon, das gebe ich zu. Aber es muss alles nichts zu bedeuten haben.“
    Marie winkte ab. Sie glaubte fest daran, dass das alles kein Zufall gewesen sein konnte. Was oder wer auch immer dahintersteckte: Es war vorherbestimmt, dass alles so kommen musste. Stand nicht auch etwas in der Art in den Protokollen? Hatte nicht Rose das immer

Weitere Kostenlose Bücher