Die Rose von Angelâme (German Edition)
gar keinen Fall. Sagt mir, was Euch durch den Kopf geht, dann können wir immer noch entscheiden, was zu tun ist.“
Er nickte.
„Vielleicht habe ich einige Dinge kopiert, die nur mir seltsam vorgekommen sind, und die absolut nichts zu bedeuten haben. Vielleicht auch habe ich etwas übersehen, das für das Verständnis dessen wichtig gewesen wäre, was mein Vater hinterlassen hat.“ Er hoffte, sie damit wieder etwas beruhigen zu können.
„Ihr glaubt also nicht mehr, dass das Bildnis der Rose wichtig ist? Haben wir vielleicht etwas zerstört, was viel wichtiger war als dieses Porträt?“
„Nein, Demoiselle. Ich glaube, das Bildnis der Rose ist mindestens genauso wichtig wie das darübergemalte Landschaftsbild.“ Julien sah auf das Porträt der jungen Frau herab. „Ich bin überzeugt davon, der Schlüssel liegt in diesem Original. Wenn dem so ist, finde ich heraus, worum es sich dabei handelt, das verspreche ich Euch.“
„Wenn Ihr das Porträt der Rose mit diesem symbolträchtigen Landschaftsbild übermalt hättet, wie hättet Ihr es angelegt, damit beide Bilder zusammen einen Sinn ergeben?“
„Wie meint Ihr das?“
„Nun überlegt doch: Euer Vater hätte ein beliebiges Bild malen und darauf alle nötigen Symbole unterbringen können, wenn er lediglich eine Botschaft weiterzugeben hatte. Er aber hat ausgerechnet ein vermutlich wertvolles altes Bild übermalt, welches meinem Vater gehörte. Das muss doch noch einen anderen Sinn ergeben als den, dass die Landschaft und die arme Rose einen Bezug zueinander haben. Das hätte er auch auf andere Weise darstellen können. Zum Beispiel, indem er die junge Frau irgendwo in das Bild hineingemalt hätte oder so.“
Julien betrachtete seine Kopie der alten Burg.
„Vielleicht hat Euer Vater die Symbole so angeordnet, dass sie zusammen mit dem Porträt irgendeinen Hinweis geben?“, versuchte Marie noch einmal, ihm weiterzuhelfen.
„Wie meint Ihr das?“
„Nun, vielleicht liegen die Symbole, die Ihr gefunden habt, über irgendwelchen wichtigen Punkten auf dem Originalbild, und ergeben erst im Zusammenhang mit diesen einen Sinn.“
„Das hätte vorausgesetzt, dass jemand das Original zuerst abmalt, bevor …“
„Das ist es!” rief Marie. „Genau das ist es!“
„Was meint Ihr?“, fragte Julien ratlos zurück.
„Ihr habt es kopiert, originalgetreu, nicht wahr?“
„Ja.“
„Sagtet Ihr nicht gerade, dass die Voraussetzung dafür, den Zusammenhang zwischen dem Porträt und dem Landschaftsbild zu erkennen darin liege, dass man die Übermalung zuerst kopiert?“, fragte sie aufgeregt.
„Ich verstehe noch immer nicht.“
„Die Kopie ist verbrannt. Entweder wollte jemand, dass dies geschieht, ohne zu wissen, dass das Original noch existiert, oder jemand wollte, dass Ihr Euch das Original-Landschaftsbild noch mal genauer anseht.“
„Das ist aber ziemlich weit hergeholt, wenn ich das so sagen darf, Demoiselle“, wandte Julien ein. „Dazu muss doch niemand ein Arbeitszimmer mit so vielen wertvollen Dokumenten zerstören!“
„Vielleicht wusste dieser Jemand auch gar nicht, dass sich inzwischen Eure Kopie anstelle des Originals im Arbeitszimmer befand.“
„Auch das ist möglich.“
„Wenn nun das, was hinter der ganzen Sache steckt, weitaus mehr wert ist als alle verbrannten Dokumente der Welt zusammen?“
„Demoiselle, ich bitte ergebenst um Verzeihung?!“
Marie hörte ihm gar nicht zu. Etwas hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt, was ihr so logisch erschien, dass sie glaubte, ihr Gehirn müsse zerspringen, wenn sie diesen Gedanken nicht festhielt. Wenn sie ihn nur in Worte fassen könnte!
„Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, auf die möglichen Hintergründe aufmerksam zu machen, als einen Brand!“, versuchte er es noch einmal.
„So? Hattet Ihr die Symbole denn vorher schon als solche erkannt und markiert?“
„Nein, aufgefallen waren sie mir zwar, aber ich sah keine Veranlassung, sie zu markieren. Das fiel mir erst vorhin ein, wie Ihr wisst.“
„Nun?“
„Nun! Es wird doch niemand das Arbeitszimmer in einem Schloss aus so einem unsinnigen Grund anzünden! Dazu hätte der Brandstifter doch einfach das Bild mit Säure übergießen oder sonstwie beschädigen oder gar stehlen können!“
Marie sah ihn mit großen Augen an.
„Außerdem: Wer sagt denn, der Brand sei deshalb gelegt worden, die Kopie oder das Original eines Gemäldes zu zerstören! Vielleicht sollte ja etwas ganz anderes vertuscht werden, auf das wir
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