Die Rose von Angelâme (German Edition)
aber schon sehr lange zurück. Wer sollte denn heute noch einen Mord verüben wollen für etwas, das fünfhundert Jahre zurückliegt! Und vor allen Dingen: an wem?“
„Das weiß ich leider nicht, Demoiselle. Aber erinnert Euch an den Brand in Eurem Schloss!“
„Euer Vater … Mein Vater …“
„Sie starben beide unter merkwürdigen Umständen.“
Als sie etwas einwenden wollte, hob er forsch die Hand.
„Dieses Rätsel zu lösen ist mir jetzt zu viel.“ Dann zeigte er auf das Bild auf dem Tisch und machte eine Geste darüber, die eher hilflos wirkte.
„Demoiselle, ich weiß nicht, was Euer und mein Vater beabsichtigten, als diese Arbeit entstand, aber ich weiß eines ganz sicher: Mein Vater ist sehr umsichtig ans Werk gegangen und hat versucht, seine Botschaft so zu verschlüsseln, dass nur wirklich Eingeweihte sie verstehen.“
„Eingeweihte?“
„Genau. Es sind Symbole darunter, die darauf schließen lassen, dass zumindest einer der beiden Männer einer Geheimorganisation oder Bruderschaft angehörte, die diese Zeichen verwenden.“
„Geheimorganisation!“ Marie hielt die Luft an.
„Ein Zeichen dieser Organisation scheint die Rose zu sein.“
„Rose.“
„Rose.“ Er nickte bestätigend. „Ich denke, dass nicht nur einer, sondern unsere beiden Väter zu dieser Organisation gehörten“, überlegte er. „Ihr Vater hätte sehr schnell erkannt, dass mein Vater heimliche Botschaften auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Bild gemalt hat, wenn er nicht Mitglied derselben Gesellschaft gewesen wäre. Ich denke mir, die beiden Männer verfolgten einen ganz bestimmten Zweck.“
Marie nickte zustimmend.
„Nämlich den, ihre Botschaft an die weiterzugeben, die sie verstehen können“, schloss er seine Gedanken.
„Das heißt an Leute, die den Sinn der gemalten Zeichen kennen“, überlegte Marie weiter.
„… und die wissen, was sie in einer bestimmten Anordnung bedeuten“, vervollständigte Julien ihre Gedankengänge. „Den Sinn der Symbole zu erkennen ist für einen Maler nicht sonderlich schwierig, wenn er sein Handwerk bei einem guten Meister erlernt hat.“
„Aber das würde bedeuten, diese Charade wurde für einen anderen Maler erdacht!“
Julien strich sich mit der Hand über sein Kinn.
„Oder für jemanden aus dieser geheimen Bruderschaft.“
„Wir müssten jetzt nur herausfinden, wer noch von diesen Symbolen weiß.“
Julien lächelte gequält.
„Demoiselle! Wenn ich richtig vermute, und eine Geheimorganisation dahinter steckt - glaubt Ihr tatsächlich, es würde einfach jemand zu Euch kommen und sich zu erkennen geben? Dann wäre es keine Geheimorganisation!“
„Lasst mich nachdenken“, sage Marie gedehnt. „Wenn unsere Väter in derselben Organisation waren, gab es bestimmt weitere Verbindungen untereinander außer diesem Gemälde. Irgendjemand, irgendetwas, das sie beide kannten, über den oder das sie sprachen.“
„Tours.“
„Tours! Stimmt. Ihr sagtet, diese Männer, die mit Euch gesprochen haben, gehörten zu einer Organisation - wie noch gleich?“
„Honoré …“
„Wie bitte?“
„Sie fragten nach Honoré. Vielleicht weiß er mehr.“
„Fragen wir ihn einfach.“
„Davon möchte ich in aller Bescheidenheit erneut abraten, Demoiselle. Ich habe dafür meine Gründe.“
„Wenn Ihr mir diese gütigst nennen würdet!“, fauchte sie ungeduldig.
„Ich habe da so einen Verdacht.“
„Gütiger Himmel! Dann sagt ihn mir! Schließlich handelt es sich hierbei doch wohl nicht nur um Eure, sondern hauptsächlich um meine Angelegenheit!“
„Noch eine Verbindung.“
„Wie?“
„Ihr und ich - auch eine Gemeinsamkeit. Immerhin ließ mein Vater mich zum Maler ausbilden, und er kannte Euch, weil Ihr während seiner Arbeiten am Porträt Eures Vaters anwesend wart. Möglicherweise hat mein Vater dabei auch über mich gesprochen. Jedenfalls hat er eine ganz persönliche Botschaft für mich in das Landschaftsbild gelegt.“
„Das wusste ich gar nicht!“
„Ich habe es auch erst vor wenigen Minuten entdeckt.“
Julien zeigte auf das Papier mit den abgezeichneten Symbolen.
„Wenn man die Anfangsbuchstaben der Symbole hier von links nach rechts betrachtet, ergibt sich daraus “F-S-P-R-G-R-D” - eine Warnung.“
„Wie kommt Ihr darauf? Was bedeuten diese Buchstaben?“
„Das war ein Spiel zwischen meinem Vater und mir. Er wollte mir so das Alphabet beibringen: Er zeichnete etwas, und ich nannte ihm den Anfangsbuchstaben, den er dann für mich
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