Die Rose von Angelâme (German Edition)
wollte, welches er in einen Becher Wasser getaucht hatte. „Weiche von mir, du Ausgeburt der Hölle! Ich verfluche dich! Dich und deinen König!“
Der Alte sank kraftlos auf sein Lager zurück und schloss die Augen. Nach ein paar erschöpften Atemzügen erbarmte sich der Tod seines geschundenen Leibes und seiner Seele, bevor sein Peiniger mehr über jenes schreckliche Geheimnis erfahren konnte, das der Alte mit in sein Grab nahm.
De Nogaret saß noch lange neben dem Toten, in verzweifeltes Brüten versunken.
Die Kirche zu Fall bringen? Diese größte Macht der Welt in die Knie zwingen, und dann den gesamten Erdenkreis beherrschen?
Die Idee gefiel ihm zusehends. Mochte der Teufel selbst dahinter stecken, wie es der Todgeweihte angedeutet hatte! De Nogaret war gewillt, sogar mit dem Gehörnten einen Pakt einzugehen, wenn er nur die Möglichkeit geboten bekäme, künftige Päpste, Könige und ihre hochnäsigen Vasallen in den Staub treten zu können. Vielleicht gelang ihm durch einen Bund mit dem Herrn der Finsternis, die seiner Meinung nach verlogene, von Korruption und Machtgier getriebene Kirche zu stürzen und etwas Neues, weitaus Mächtigeres aufzubauen, das die Welt bislang nicht gesehen hatte, und an dessen Spitze er stehen würde.
Als er die Sterbekammer des Papstes verließ und seinen Männern Zeichen gab, sich um den Toten zu kümmern, war er bereits in einen unaufhaltsamen Strudel geraten, dessen Ausmaße er nicht einmal ahnen konnte.
Dass er den Tod des alten Mannes mittelbar verursacht und damit eine unverzeihliche Schuld auf sich geladen hatte, kümmerte ihn wenig. Er musste einen Weg finden, um an das Wissen des Papstes zu gelangen, alles andere war unwichtig geworden.
Das Geheimnis raubte de Nogaret seither die Ruhe, wie der Papst es vorausgesehen hatte.
Angelâme.
Noch immer lief der Kanzler in seinem Arbeitszimmer auf und ab und versuchte für sich zu ordnen, was er über diesen Ort wusste.
Bereits vor Monaten hatte de Nogaret entdeckt, dass Guillaume Imbert sich immer wieder heimlich Schriften aus der Bibliothek in seine Kammer mitnahm. Er fand heraus, dass alle diese Unterlagen mit dem Hause Angelâme zu tun hatten. Guillaume, das wusste de Nogaret, hatte vor dem gewaltsamen Ableben Papst Bonifatius’ engen Kontakt zu diesem gepflegt. Der geschwätzige Alte hatte vielleicht gegenüber dem fetten Dominikaner etwas über das vermaledeite Geheimnis verlauten lassen.
Guillaume war trotz oder gerade wegen seines Priesteramtes gierig nach allem, was ihm ein bequemes, sattes und machtvolles Leben versprach, auch das wusste de Nogaret.
Angelâme.
Was steckte hinter Guillaumes’ eifrigen Nachforschungen?
Angestrengt dachte er nach.
Angelâme war ein autonomes kleines Lehen, das unter dem Schutz der Templer stand, soweit ihm bekannt war.
Die Templer!
Er war inzwischen besessen von der Vermutung, es müsse sich bei dem Geheimnis des Papstes um den Heiligen Gral handeln, den die Templer angeblich bewachten. Es hieß, dass es sich dabei um ein geheimnisvolles Gefäß handelte, welches demjenigen unendliche Macht verlieh, der es zu nutzen wisse.
Wussten die Ritter nicht, wie sie diese Macht umsetzen konnten? Oder nützten sie sie bereits seit Langem auf ihre Weise? War das der Kern ihres geheimnisumwitterten Reichtums?
Er blieb abrupt stehen.
Das war es! In Angelâme könnten die verschlagenen Ritter den Gral versteckt halten. Niemand hatte sich bislang um dieses Lehen gekümmert, das niemals auffällig geworden war. Niemand würde dort den Heiligen Gral vermuten.
Außer ihm.
Außer ihm und vielleicht diesem aufgeblasenen Dominikaner.
Auf der gerade beendeten Reise des Königs war irgendetwas im Zusammenhang mit diesem Lehen geschehen, das wusste er. Er wusste nur nicht, was es war, denn der König schwieg sich seinem Kanzler gegenüber eisern aus. Es musste etwas sein, was den Beichtvater des Königs dazu veranlasste, erneut in den alten Schriften zu wühlen und herumzuschnüffeln. Nur was?
Er würde Guillaume weiterhin beobachten.
De Nogaret schüttelte sich.
Er hatte in Agnani kurz vor der Erfüllung seiner kühnsten Träume gestanden. Dann war dieser verlauste alte Bastard unter seinen Händen gestorben, hatte das Geheimnis mitgenommen und ihn dabei auch noch verflucht!
Ihn und den König.
Am liebsten würde er ihn dafür noch einmal mit seinen eigenen Händen so lange würgen, bis sein verfaulter Mund endlich ausspie, was de Nogaret zu wissen verlangte.
Guillaume Imbert
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