Die Rose von Angelâme (German Edition)
halten!“
„Gewiss.“
Guillaume senkte demütig den Kopf. Er wusste, dass sich dieses Lehen bereits ziemlich lange ohne den königlichen Schutz und darüber hinaus noch sehr gut hielt. Jetzt kam ihm der für einen Mann seines Standes erstaunliche Verdacht, dass genau dieser Umstand Ursache für das Wohlergehen des kleinen Lehens sein könnte. Aus gutem Grunde jedoch schwieg der Beichtvater des Königs.
„Nun geht!“
Der Priester wandte sich mit der knappen Andeutung einer Verbeugung um und verließ, so schnell es seine Körperfülle zuließ, den Raum. Draußen stand er einen Augenblick lang still und atmete tief durch. Seine Bronchien pfiffen, sein Herz raste. Sein massiger Körper hielt der Aufregung nur mit Mühe stand.
„Angelâme!“, flüsterte er und schlug ein Kreuz. „Ich werde Euch fürwahr sehr gerne helfen, einen Weg zu diesem Lehen zu finden, mein König.“
Nach außen hin völlig gelassen schritt er den Korridor entlang. Seine Gedanken jedoch drehten sich im Kreis. Er blieb erneut stehen, schaute sich um, ob jemand ihn beobachtet oder gar gehört hatte, und lehnte sich gegen die Wand. Niemand war zu sehen. Außer den Wachen vor den Kammern des Königs war um diese Zeit keine Menschenseele in den Gängen des Palastes unterwegs. Wer jetzt noch herumschlich, nahm Wege, auf denen er nicht gesehen werden konnte.
„Oh ja, mein König! Ihr bekommt mit meiner Hilfe das Lehen, und ich …“ Er lachte laut auf. „Ich bekomme, was ich schon so lange Zeit von dort haben will. Gottes Mühlen mahlen langsam aber stetig. Mein Herr, ich danke dir für deine allzu große Güte!“
Schnell bekreuzigte er sich und warf mit einer für seine Körperfülle elegant ausgeführten Geste eine Kusshand in die Luft. Dann machte er sich, so schnell seine Beine ihn trugen, auf den Weg in die Bibliothek. Er würde selbst und jetzt gleich heraussuchen, was der König wissen wollte. Diesen Auftrag überließ er mit oder ohne Befehl Philipps keinem anderen.
Erstaunt verfolgte ein zu dieser späten Stunde noch anwesender Priester, wie der Beichtvater des Königs trotz trübe flackernden Kerzenlichtes ohne Zögern zwischen Tausende von Schriftstücken griff, Unterlagen herauszog, sich nur durch einen kurzen Blick vergewisserte, auch die richtigen in der Hand zu halten und wieder verschwand.
Plötzlich stand de Nogaret hinter ihm. Der Pater schrak ertappt zusammen. Er hatte des Königs halbamtlichen Großsiegelbewahrer nicht hereinkommen gehört.
„Was suchte denn seiner Gnaden Beichtvater hier?“, fragte de Nogaret und fuchtelte unbestimmt mit der Hand in Richtung des Regals voller Bücher, vor dem sie beide standen.
„Das weiß ich nicht“, antwortete der Pater wahrheitsgemäß, als er sich wieder gefasst hatte „Es ging so schnell.“
De Nogaret jedoch war bereits auf dem Weg nach draußen.
Des Königs Großsiegelbewahrer zog sich in seine Arbeitsräume zurück und trommelte mit den Fingern auf die Kastanienholzplatte eines Tisches ein, der eindrucksvoll in der Mitte seines Audienzzimmers stand. Guillaume Imbert befasste sich also wieder mit dem Lehen zu Angelâme, fuhr ihm durch den Kopf. Es war nicht das erste Mal, dass jener heimlich die soeben herausgesuchten Unterlagen studierte, das wusste der Kanzler, der den königlichen Beichtvater seit langer Zeit argwöhnisch im Auge behielt. Was nur interessierte den Dominikaner so sehr an diesem Lehen? Des Kanzlers nervöse Neugier war erwacht.
De Nogaret hatte gute Gründe dafür, achtsam zu sein. Er zürnte dem König für dessen Weigerung, ihn, seinen Kanzler und halbamtlichen Großsiegelbewahrer, in den höheren Adelsstand zu erheben. Immer wieder musste er sich gefallen lassen, mit seinem Anliegen abgewiesen zu werden. Philipp schob ihm einerseits ständig die unangenehmsten Aufgaben zu, ließ ihn jedoch andererseits wissen, dass er nichts als ein mehr oder weniger gut bezahlter Mann in seinen Diensten war.
Vor Jahr und Tag beispielsweise war de Nogaret die zweifelhafte Aufgabe zugefallen, sich mit Nachdruck um den damaligen Papst Bonifatius zu kümmern , wie sein Herr und König es ausgedrückt hatte.
Dem war vorausgegangen, dass dieser Papst und Philipp unterschiedlicher Auffassung darüber waren, ob Kaiser und Könige der Kirche, oder Gott direkt unterstanden. Der König schäumte vor Wut über die wohl aus diesem Disput heraus erfolgte schroffe Ablehnung des Papstes, ihn zum Kaiser zu krönen, und Bonifatius verhängte schließlich eine
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