Die Rose von Angelâme (German Edition)
Bulle gegen den fränkischen König, um der Sache Herr zu werden.
De Nogaret reiste schließlich im Auftrag des Königs nach Agnani, um die Angelegenheit in vermittelnden Gesprächen zu klären, wie es offiziell hieß. Allerdings arteten diese Gespräche bereits nach kurzer Zeit in körperliche Misshandlungen und Demütigungen des alten Mannes aus und endeten darin, dass jener nur noch in seiner Kammer hockte und keine Antworten mehr gab.
Der Papst hatte während einer der heftigen Auseinandersetzungen mit de Nogaret gestammelt, er habe Kenntnis von etwas, was ihm seit Jahren den Schlaf raube. Der Kanzler beachtete anfangs die offensichtlichen Versuche des Alten nicht, seine erbärmliche Haut zu retten, wurde aber hellhörig, als jener schließlich das Wort Geheimnis flüsterte. Daraufhin ließ er ihm mit Wasser verdünnten Wein bringen und ihn auf sein Lager betten. Dann schickte er alle weg, die sich neugierig um die beiden geschart hatten.
„Woraus besteht denn dieses Geheimnis?“, fragte er Bonifatius betont freundlich, als dieser sich einigermaßen erholt hatte und de Nogaret verwirrt anstarrte.
„Es wird auch dir den Schlaf rauben, mein Sohn, so du ein wahrer Christenmensch bist“, antwortete der Alte mühsam. „Es geht um die Macht über das gesamte Erdenreich, wenn die Kirche zu Fall kommen sollte … Der Teufel …“
Der Alte schnappte verzweifelt nach Luft, hustete und verstummte kraftlos.
„Eure Heiligkeit, so redet doch weiter. Was ist mit der Kirche? Was hat der Teufel mit Eurem Geheimnis zu tun?“ De Nogaret hatte Mühe, sich zurückzuhalten und dem Alten nicht jedes Wort aus dem stinkenden Maul zu schütteln.
„Du nennst mich Heiligkeit? Mit einem Mal? Du Heuchler, scher dich weg! Hol meine Männer, sofort!“
„Wollt Ihr beichten?“, fragte de Nogaret hoffnungsvoll. Es würde ihm ein Leichtes sein, dem Beichtvater abzunötigen, was der Papst ihm anvertraut hatte.
„Du willst mir die Beichte abnehmen lassen? Ich habe nichts mehr zu beichten und die Heiligen Sterbesakramente bereits erhalten“, keuchte der Papst und drehte seinen Kopf zur Wand. Plötzlich änderte sich seine Stimme und er ließ sich laut und deutlich vernehmen: „Glaubst du, ich durchschaue dich nicht, Abgesandter dieses Ungeheuers auf dem Thron der Franken? Hat er dich geheißen, mich so zerschlagen zu lassen, weil ich zwischen ihm und unserem Herrn stehe, wie es die gottgewollte Ordnung vorsieht? Hat er dich hergeschickt, damit du dich an demjenigen vergreifst, der über dieser Ratte steht, die den Stellvertreter Gottes nicht über sich duldet? Hat er das befohlen, dein unglückseliger König, weil ich ihn nicht zum Kaiser gekrönt habe und seine Forderungen zurückwies? Du bist schlimmer als er, weil du ausgeführt hast, was er von dir verlangte, anstatt ihm die Stirn zu bieten!“
„Ich habe falsch gehandelt, verzeiht“, lenkte de Nogaret ein. „Wenn Ihr wollt, lasse ich nach einem Medicus schicken, der sich um Euch kümmert, und …“
„Du hast falsch gehandelt, das ist wahr“, unterbrach ihn der Alte. „Aber deine Einsicht kommt zu spät, und über dein Handeln wird dereinst ein anderer richten.“ Er schwieg einen Augenblick lang, bevor er weitersprach. „Glaubst du, ich weiß nicht, warum du jetzt so einsichtig bist, du Heuchler?“ Ein übler Hustenanfall schüttelte den Alten, der sich halb aufgerichtet hatte, um besser Luft zu bekommen. Ein dünner Blutfaden lief an seinem Kinn herunter. „Es geht dir nicht um mich, den du von deinen Schergen im Namen deines Königs misshandeln hast lassen wie den übelsten Verbrecher! Es geht dir um mein Geheimnis, nicht wahr?“
„Sagtet Ihr nicht, Euer Wissen habe Euch jahrelang den Schlaf geraubt?“ De Nogaret griff nach der Hand des Alten, der sie ihm jedoch schnell entzog. „Dann lasst Euch doch nicht auch noch die ewige Ruhe rauben, sondern teilt Euer Wissen mit mir! Ich werde es wohl zu wahren wissen und im Sinne der Kirche handeln, wenn Ihr mir nur vertraut.“
„Du würdest nur in deinem eigenen Sinne handeln, wie du es immer tust. Denn du bist machtgierig und gehst über Leichen, wenn es dir förderlich scheint.“ Der Alte wischte den Einwand des Kanzlers mit seiner knochigen Hand beiseite, bevor jener etwas sagen konnte. „Und jetzt verschwinde! Lass mich in Ruhe sterben.“ Er richtete sich ganz auf, hustete erneut und erbrach Blut dabei, stieß de Nogaret jedoch mit erstaunlicher Kraft beiseite, als dieser ihm ein Stück Leinen reichen
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