Die Rose von Angelâme (German Edition)
Schlafgemach mit den unglaublichsten Darstellungen weiblicher und männlicher Anatomie schmücken lässt“, stimmte Albert aufgekratzt zu. „Es wird sogar gemunkelt, manche der Frauen, die für die angeblich recht freizügigen Abbildungen Modell saßen, waren die Mätressen der Scheinheiligkeiten, die ihrerseits dem niedrigen, erbarmungswürdigen Rest des Klerus jegliche Fleischeslust verbieten!“
Seine Stimme klang zornig. Die Umstehenden ahnten, dass er kein Freund dieses Klerus sein konnte, dessen Falschheit sich nicht nur in den soeben gemachten Enthüllungen ihrer Schamlosigkeit offenbarte. War doch immer wieder hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert worden, warum die Kirche ihren Priestern die Ehe verbot: weil sie und ihre Brut dem Säckel der Päpste zu viel Geld kosteten. Waren die Herren nicht verheiratet, mochte sich um ihre Weiber und Kinder kümmern, wer wollte. Die Heilige Kirche war fortan nicht mehr dafür zuständig.
„Und die dargestellten Männer?“, hakte einer der Anwesenden nach, der offenbar wusste, wovon er sprach.
Alle starrten den Fragesteller schweigend an.
„Darüber zu sprechen ist unvorstellbar“, wandte ein anderer ein, womit er zur allgemeinen Erleichterung dieses Thema beschloss.
„Was meintet Ihr mit unaussprechlichen Malereien?“, wollte ein Genueser Geschäftsmann wissen, der sich wohl nicht vorstellen konnte, wie so etwas überhaupt möglich war. „Soviel ich hörte, handelt es sich dabei um Motive aus der Bibel!“
Albert wandte sich achselzuckend dem Maler zu, der Veranlassung für dieses Gespräch gegeben hatte.
„Ist es nicht seltsam, dass neben der Geburt unseres Herrn ausgerechnet die Darstellung von Szenen aus dem Paradies eines der Lieblingsthemen für diese Bilder zu sein scheint?“, fragte er ihn.
„So ist es“, antwortete der Angesprochene und sah arglos von einem zum anderen. „Allerdings nicht nur in den privaten Gemächern der Heiligkeiten, sondern auch in Räumen, die sakralen …“
„Nun, unkeusch ist unkeusch“, lachte ein Grauhaariger und zwinkerte dem Maler zu. „Selbst auf biblischen Bildern.“
„Nun, die Kunst …“, versuchte der Künstler sein Metier zu verteidigen, ging damit aber im allgemeinen Gelächter der Umstehenden unter. „Außerdem war mein Meister in den Diensten seiner Heiligkeit, Papst Bonifaz …“, versuchte er ein zweites Mal, seine Kunst aus dem Bereich frivoler Banalitäten herauszumanövrieren.
„Oh ja! Papst Bonifatius! Ist er nicht unter seltsamen Umständen gestorben, nachdem ihn seine Anhänger aus der Zelle befreit hatten, in die ihn de Nogaret hatte einsperren lassen?“, mutmaßte ein Kaufmann, dessen modische Kleidung auf den nördlichen Teil des Landes schließen ließ.
„Ich habe gehört, dass er vollkommen verrückt geworden in seinem Schlafgemach getobt habe, bis ihn der Herr in seiner Gnade erlöste und zu sich rief.“ Der Grauhaarige, der bis dahin nur zugehört hatte, schlug mit gesenktem Haupt ein Kreuz, und die anderen taten es ihm gleich.
„Jedenfalls scheint er unter sehr merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen zu sein“, fasste der Genueser die verschiedenen Gerüchte um den Tod jenes unglücklichen Papstes zusammen.
„Nicht nur er!“, entgegnete Albert. „Es scheint, als sei es geradezu lebensgefährlich, zum Papst ernannt zu werden. Auch sein Nachfolger, dessen Pontifikat nicht einmal ein Jahr dauerte, starb unter sehr merkwürdigen Umständen. Dabei hat er angeblich bis zum Schluss daran geglaubt, die Ränkespiele um sich herum schnell in den Griff zu bekommen und somit überleben zu können.“
„Da bleibt die Frage offen, wie lange der neue Papst sich auf dem Stuhle Petri halten kann. Denn“, so verbreitete sich der Grauhaarige weiter über dieses Thema, dessen Akzent auf seine Brabanter Herkunft schließen ließ. „Offensichtlich hat der schlaue Bertrand de Got es vorgezogen, sich bereits vor seiner Krönung der Macht des französischen Königs zu unterstellen.“
„Ihr wollt doch nicht etwa andeuten, dass Philipp hinter dem Tod der beiden anderen Päpste steckte?“, fragte der Gastgeber und musterte den Brabanter Kaufmann dabei mit gerunzelter Stirn.
„Das wäre eine wahrlich ungeheuerliche Unterstellung, Signore, wenn man bedenkt, dass der König der Franken weit über die Grenzen seines Landes hinaus als gottesfürchtiger und außerordentlich frommer Mann gilt!“, antwortete der ihm mit gespielter Ernsthaftigkeit.
Erneut herrschte atemlose
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