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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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Stille.
    Der Grauhaarige stellte seinen Becher mit einer entschlossenen Geste auf den Tisch. Er hatte genug vom Wein und von diesem Gespräch, was er wieder in ruhigere Gewässer zu steuern gedachte. Er wandte sich an den jungen Künstler.
    „Es wird eine Zeit lang dauern, bis wir wissen, womit dieser neue Papst sein Schlafzimmer schmückt“, ließ er ihn mit schwerer Zunge wissen. „Oder ist Euer Meister mit ins Frankenreich gezogen? Daraus könnten wir schließen, wo der neue Papst nach des Königs Gnaden endgültig zu residieren gedenkt.“
    „Mein Meister ist in Rom geblieben“, antwortete der Maler. „Er ist zu alt für einen solchen Umzug.“
    „Dann wird der Ärmste wohl zeitlebens bis zum Hals inmitten klerikaler Verderbtheit ausharren müssen“, sagte der Brabanter lachend. „Die geistlichen Herren geben ihre gesicherte Position in Rom nicht auf, nur weil ihr neues Oberhaupt den bisherigen päpstlichen Stammsitz gegen irgendeinen bedeutungslosen Ort in Frankreich eingetauscht hat.“ Er grinste breit. „Wenn du Schüler eines dieser römischen Maler bist, deren Können gar den künstlerischen Anforderungen von Päpsten gerecht wird“, fuhr der Grauhaarige fort, „dann solltest du die Gelegenheit beim Schopfe packen und die schöne Frau dieses Edelmannes malen.“
    Er schaute zu Albert hinüber, der ihm zuprostete, ohne indes auf die Zweideutigkeit seiner Worte einzugehen.
    „Wie heißt du?“, fragte er stattdessen den jungen Maler, der ein wenig betreten in der Runde stand.
    „Léon, Herr.“
    „Ich denke, wir sollten zu Bett gehen, damit wir morgen wieder mit frischem Geist an unsere Geschäfte gehen können“, beendete der Gastgeber den Abend und klatschte in die Hände. Sofort erschienen einige Mägde und begannen, die Tische leer zu räumen. Die Männer gingen schweigend ins Haus, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend.
     
    Albert schlüpfte kurz darauf zu Rose unter die Decke, um in ihren sehnsüchtig wartenden Armen seine angespannten Nerven zu beruhigen. Sie hatte ihn bereits am Nachmittag wissen lassen, dass sie wieder bereit sei, ein Kind zu empfangen, wie Agnès ihr nachdrücklich auszurichten aufgetragen hatte. Nachdem er ihren weichen Körper und ihre Wärme spürte, war er schnell in der Stimmung, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
    Agnès schlich sich leise von der Tür weg in eine Kammer, die nicht die ihre war, und in der sie ungeduldig erwartet wurde. Eine bittere Unruhe hatte sie erfasst, deren Ursache sie sehr wohl kannte, deren Folge sie jedoch nicht aufhalten konnte. Der Herr hatte ihre leise Warnung offenbar in den Wind geschlagen und dem Verlangen seiner Lenden nachgegeben, statt sich zu enthalten, wie es notwendig gewesen wäre. Verwirrt ließ Agnès sich in die Wärme einer wohligen Nacht fallen, die dennoch das seltsame Gefühl nicht verscheuchen konnte, das in ihrem Inneren lauerte.
    Albert von Angelâme war eben auch nur ein Mann.

    Einige Wochen später, während derer Rose dem jungen Maler geduldig Modell gesessen hatte, präsentierte jener ihr stolz sein Werk.
    Was Rose zu sehen bekam, verschlug ihr den Atem. Sie hatte bislang noch keinen Blick auf die Vorderseite der hölzernen Tafel werfen können, die wenige Schritte vor ihr auf einer grob gezimmerten Staffelei stand. Tagelang hatte der Maler alle möglichen Ingredienzien zusammengemischt, Pinsel und Spachteln hinein getaucht und damit die Holztafel bearbeitet. Nach einer jedes Mal endlos scheinenden Zeit hatte er die junge Frau mit einer leichten Verbeugung entlassen, als das Tageslicht für seine Arbeit nicht mehr ausreichte.
    Die wenigen Bilder, die Rose in ihrem Leben bewundert hatte, waren sehr unterschiedlicher Art gewesen. Allesamt stellten sie Szenen mit biblischen Themen dar. Gestalten in mehr oder weniger aufwendigen Kleidern waren als Engel und Heilige zu sehen, und selbst Maria und Josef mit dem Jesuskind waren in flachen Bildern dargestellt worden.
    Das Bild hier jedoch war völlig anders. Es zeigte Rose in ihrer ganzen Anmut, ihrer Lebendigkeit und ihrem Wesen, als säße sie selbst im Rahmen.
    Eine Adelige, keine Heilige. Eine Frau, keine biblische Gestalt.
    Der Faltenwurf von Kleid und Surcot war so perfekt gemalt wie die rotblonden Haare, die sich unter dem Gebände und der hellen Haube hervor wie kleine Flammen kräuselten. Selbst ihre Wimpern, die Perlenkette und die feinen Spitzen ihres Gewandes waren genauestens wiedergegeben.
    Auch Albert war überrascht. So etwas hätte er niemals

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