Die Rose von Angelâme (German Edition)
dass der aus der Sangiovese-Traube hergestellte Chianti des Gutes eine Besonderheit war, die sich nicht einmal der Lateran entgehen ließ. Auch das Öl, das aus den Oliven der uralten Bäume gepresst wurde, war über die Grenzen Tusciens hinaus bekannt.
Die Comtesse lebte im Kreise der Bewohner und Gäste sichtlich auf. Sie freute sich, dass auch ihrem Kind die Umgebung gut zu tun schien, und fand ihren Mann von Tag zu Tag lockerer und gesprächiger.
Die fröhliche, unbeschwerte Art der Leute auf dem Gut, die berauschende Wirkung des hervorragenden Weins und das leichte mediterrane Essen ließen Roses Unruhe zusehends schwinden.
Als eines Abends ein Trupp Schauspieler und Gaukler ankam, die der Hausherr eingeladen hatte, seine Gäste mit allerhand Darbietungen zu unterhalten, war die gute Stimmung vollkommen.
Rose war begeistert von den Zauberkünsten eines Gauklers, der unter dem Beifall seiner Zuschauer ein Seil mit einem scharfen Messer in mehrere Teile zerschnitt, sie wieder zusammenknotete und mit einem Ruck in ein unversehrtes Stück zurückverwandelte. Oder aus allen möglichen Öffnungen seines Gewandes Hühnereier zog, eines sogar hinter dem Ohr des Gastgebers hervor, der es ihm schließlich lachend abnahm.
„Das lasse ich mir sogleich in der Küche braten!“, rief er und reichte das Ei weiter, damit jeder sehe, dass es sich um ein echtes Hühnerei handelte. Die meisten der Umstehenden waren fassungslos vor Staunen und wussten nicht so richtig, ob sie an Hexerei oder nur an einen gelungenen Schabernack glauben sollten. Als sie jedoch sahen, wie unbeschwert der Hausherr über die Scherze und Darbietungen lachte, blieben sie, um zu staunen und sich zu amüsieren.
Spätabends saßen die Musiker der Gruppe für gewöhnlich an einem Feuer ein wenig abseits im Hof und ließen fröhliche Weisen erklingen, zu denen die Knechte und Mägde des Gutes klatschten oder lachend tanzten. Die Musik klang zuerst ein wenig fremd für Rose. Sie kannte bislang nur die etwas melancholisch klingenden Melodien der französischen Musiker, die zu den seltenen Banketten auf der Burg in Angelâme aufspielten. Die junge Frau begann, die fröhlichen Klänge der Musiker auf dem Gut zu lieben und setzte sich gerne ans Fenster ihrer Kammer, um ihnen zu lauschen.
Nichts deutete zu dieser Zeit auf das Unheil hin, welches bereits vereinzelt in Form stinkender Rauchwolken den Himmel über Europa verdunkelte. Nichts trübte die ausgelassene Stimmung derer, die auf jenem Weingut in Tuscien ahnungslos im Wahnwitz jener Zeit standen, der vor nichts haltmachen sollte, was einmal zwischen die Räder seiner Mühlen geraten war.
Ein Künstler aus der Gruppe prahlte eines Abends damit, in der Schule eines Meisters gelernt zu haben, der Bilder für den Papst in Rom gemalt hatte, und Albert neckte ihn lachend.
„Ein Glück für dich, dass wir überhaupt wieder einen Papst haben“, sagte er und zwinkerte dem jungen Mann fröhlich zu. „Dazu hin noch einen, der Gerüchten zufolge in Frankreich einen neuen Palast bauen lassen will. Ein gutes Geschäft für einen tüchtigen Maler!”
„In Frankreich?“, warf einer der anwesenden Herren ein. „Ist das inzwischen beschlossene Sache? Der Heilige Stuhl gehört nach Rom und nirgendwohin sonst!”
„Glaubt Ihr vielleicht, unser allergnädigster Herr und König würde den neuen Papst auch nur einen Augenblick lang unbeobachtet lassen?“, fragte Albert. „Philipp hat ihn sich selber doch regelrecht erschaffen, damit er sich seiner jederzeit bedienen kann.”
„Ein gewagtes Wort“, versuchte ihn der Gastgeber zum Schweigen zu bringen. Albert winkte unwirsch ab.
„Ich bin mir nicht sicher, ob die Herren Geistlichen wirkliche Kunstkenner sind, oder ob sie sich nicht auf diese Weise tagtäglich schamlos mit etwas umgeben wollen, was ihnen eigentlich versagt bleiben müsste“, lenkte jemand ein, indem er auf das ursprüngliche Thema zurückkam.
„Auf welche Weise?“, fragte der Gastgeber, froh, dass die Männer das gefährliche Pflaster wieder verlassen hatten.
„Es wird gemunkelt, die ehemals so keuschen Wände in den Schlafräumen mancher geistlichen Würdenträger seien mit unaussprechlichen Malereien entweiht“, warf ein anderer ein. Es war eher eine Frage als eine Vermutung.
„Mit unaussprechlichen Malereien?“, wollte der Gastgeber wissen.
Neugierig geworden scharten sich die Männer um die beiden.
„Auch ich habe gehört, dass sich mancher dieser Herren sein
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