Die Rose von Angelâme (German Edition)
er gerade gekommen war. „Wir laden Euch ein, der Prim beizuwohnen, die in wenigen Augenblicken gehalten wird. Danach ist es uns eine Ehre, Euch zu einem bescheidenen Frühstück begrüßen zu dürfen.“
„Ich werde Eure Einladung gerne annehmen“, antwortete Philipp kühl und SaintMartin deutete erneut eine leichte Verbeugung in seine Richtung an. Dieser reagierte darauf jedoch nur mit einer wegwerfenden Handbewegung. Pierre entging die Feindseligkeit in den Augen des Königs keinesfalls, und er bewunderte insgeheim, wie gelassen SaintMartin mit dieser Situation umzugehen verstand.
Warum Philipp unbedingt in den Temple kommen wollte, wo er dessen Bewohner offenbar abgrundtief verachtete, war Pierre völlig unverständlich. Er würde es jedoch noch früh genug erfahren.
Ein weiterer Tempelherr erschien und winkte eine der Leibwachen des Königs zu sich heran, dem er ein paar knappe Anweisungen gab.
Während der König mit SaintMartin im Aedificium verschwand, führte der zweite Tempelherr die anderen Männer in ein Nebengebäude, um ihnen zu zeigen, wo sie nach dem Stundengebet auf die weiteren Anweisungen des Königs warten sollten. Dann geleitete er sie hinüber zur Kirche, in der soeben einige der Ritter schweigend zu ihren Plätzen gingen. Die Begleiter des Königs mussten im hinteren Bereich der imposanten Kirche stehen bleiben.
Nachdem der König den ihm zugewiesenen Platz eingenommen hatte, begannen die Priester mit ihren Gebeten und Gesängen, und Pierre sah überrascht, wie Philipp währenddessen unverhohlen seine Blicke umherschweifen ließ. Seine sonst so ehrfürchtige Haltung während dieser Zeremonien war einem seltsamen Ausdruck in seinen Augen gewichen, den der junge Mann nicht zu deuten wagte. Er beobachtete, dass die Blicke des Königs immer wieder wie magisch von den kostbaren, wundervoll gearbeiteten, schweren Messgeräten angezogen wurden, die im immer heller werdenden Licht des anbrechenden Morgens auf dem Altar funkelten. Pierre fröstelte.
Nach der Prim erwartete das Gefolge des Königs ein ausgesprochen spartanisches Frühstück, was sie schweigend einnahmen, während Philipp im Kreise seiner Gastgeber ein im Vergleich dazu eher üppiges Mahl vorgesetzt bekam.
Nachdem ihnen ausgerichtet worden war, der König bedürfe ihrer für den heutigen Tag nicht mehr, ordne jedoch gleichzeitig an, sich auf alle Fälle für den Aufbruch bereitzuhalten, wann immer dieser auch erfolgen möge, legten sich die meisten der Männer zur Ruhe. Pierre kannte den König und die Botschaften, die in seinen Anweisungen enthalten zu sein pflegten. Das war einer der Gründe dafür, weshalb Philipp unerbittlich darauf bestand, dass seine Befehle wörtlich weitergegeben wurden. Er wusste wie alle übrigen Anwesenden genau, dass er ihnen unmissverständlich befohlen hatte, ständig für eine mögliche Auseinandersetzung gerüstet zu sein, sollte sich dies ergeben. Niemand äußerte sich dazu, aber jeder überlegte bei sich, weshalb der König diese Alarmbereitschaft wünschte. War er hier nicht als Freund bei Freunden an einem Ort, sicher wie kein anderer sonst in Paris?
Aber gerade die Begleiter des Königs wussten um die seit Längerem schwelenden Unruhen im Lande und machten sich einen eigenen Reim darauf.
Ohne es zu wissen, teilten die Männer damit Pierres Gedanken, die ihn immer mehr verwirrten.
Gegen Abend, als alle das Nachtmahl beendet und des Königs Getreue sich in größere und kleinere Gruppen zusammengetan hatten, um zu würfeln oder miteinander zu reden, kam ein junger Tempelritter und fragte nach Pierre.
„Ihr sollt mir sofort zum König folgen“, sagte er, als dieser sich zu erkennen gegeben hatte, und der Adlatus folgte ihm unter den überraschten Augen seiner Begleiter.
Pierre traf den König in einem Teil des Gebäudes an, den er nie betreten hatte. Es handelte sich um einen großen, quadratischen Raum, dessen abgeschrägte Ecken seinen Grundriss zum Achteck werden ließen. Ringsum war das Gemach mit dunklem Holz vertäfelt und mit dicken, riesigen Teppichen behängt worden. Er mutmaßte, dass sie von geschickten Händen in den Städten und Dörfern des weiten, heißen Landes geknüpft worden waren, das die tapferen Männer des Ordens seit über zwei Jahrhunderten durchzogen. Die Teppiche glänzten matt in prächtigen Ockertönen, sattem Rot, warmem Beige und königlichem Blau. Der unruhige Schein wertvoller Kerzen, die man in drei neunarmige Eisenkandelaber gesteckt und mitten im Raum
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