Die Rose von Angelâme (German Edition)
aufgestellt hatte, ließ die Farben geheimnisvoll aufleuchten.
Pierre schluckte unwillkürlich, als er die versteckte Zahlensymbolik ringsum erkannte, die nur für Eingeweihte offensichtlich war. Drei Kandelaber, siebenundzwanzig wertvolle Kerzen.
Die Drei als Zahl der Dreieinigkeit, der sich die Templer in aller Demut unterstellt hatten. Die Drei, die mit sich selber multipliziert neun ergibt.
Die Neun als eine für die Templer wichtigste Zahl – ist sie doch die höchste einstellige Zahl, die alle anderen einstelligen Zahlen in sich trägt. Multipliziert man die Neun mit einer x-beliebigen anderen Zahl, ergibt die Quersumme des Ergebnisses immer wieder neun.
Die Zahl der Weisheit.
Aber die Neun hatte noch eine andere Bedeutung für die Ritter: Sie gemahnte sie, sich bedingungslos einer höheren Macht zu unterstellen, die sich in der nachfolgenden Eins symbolisierte, wenn immer nur die ersten 9 Zahlen wiederholt wurden. Sie hatten ihre eigenen Bedürfnisse und Absichten dem dahinter verborgenen Einen und seinem Willen bedingungslos unterzuordnen wie die Zahlen zwei bis neun.
Die Neun, die Anzahl der Ritter, die im Jahre 1118 den Templerorden gründeten.
Fast hatte Pierre schon vergessen gehabt, dass diese Männer die Geheimnisse der Zahlensymbolik beherrschten wie niemand sonst, und wohl kaum eine Gelegenheit ausließen, die Macht dieses Wissens für ihre Zwecke einzusetzen.
Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!
Pierre sah sich weiter um.
Die Fenster mit ihren ungewöhnlich dicken Laibungen konnten mit wertvollen, tiefblauen, samtenen Vorhängen verschlossen werden, deren Ränder in golddurchwirkten Brokatbordüren endeten. Sie wurden durch schwere, gold-und blaufarbige Kordeln mit dicken Quasten zur Seite gehalten. Ein unermesslicher Reichtum!
Die Kassettendecke war mit orientalischen Ornamenten bemalt und wurde durch kunstvoll geschnitzte Balken getragen, deren Ausarbeitung auf die Malereien und Teppiche ringsum abgestimmt war. Selbst auf dem Fußboden lagen dicke, wertvolle Teppiche, die jedes Geräusch verschluckten, und Pierre, der so etwas Herrliches noch nicht einmal im Palast des Königs gesehen hatte, wagte nicht, auf einen davon zu treten.
Auf niedrigen, mit reichen Schnitzereien und kostbaren Einlegearbeiten verzierten Tischen standen goldene, kunstvoll getriebene Schalen mit allerlei Kuchen und gezuckertem Obst, und dazwischen mit feinsten Ornamenten geschmückte Krüge, aus denen sich die Anwesenden den funkelnden roten Wein der Bourgogne in ebenso reich verzierte, teilweise mit Edelsteinen besetzte Becher gossen.
In einer goldenen, blank polierten Schale verbrannten duftende Harze, die dem Raum eine weihevolle Stimmung gaben. Pierre wusste, dass diese Harze zur Reinigung von Raum, Mensch und Seele dienten, ähnlich jenem Weihrauch, den die Priester während der Hochämter verwendeten. Nur dass die Kristalle in dieser Schale um ein Vielfaches wertvoller waren als diejenigen in den Kesseln der Kirchendiener.
Der König hatte auf einem der Stühle mit den weichen, lederbezogenen Sitzflächen und Rückenlehnen Platz genommen. Er ließ seine beringten Hände entspannt auf den Armlehnen ruhen. Seine Füße hatte er auf einen der kleinen, seltsam geformten Hocker gestellt, von denen Pierre wusste, dass die Sarazenen sie als Sattel während ihrer Ritte auf jenen exotischen Tieren verwendeten, die sie Kamele, und ähnliche, die sie Dromedare nannten.
Einer der Männer reichte Philipp soeben einen Becher, den er mit dem wertvollen Wein aus einer der bereitgestellten Karaffen gefüllt hatte, und stellte sich abwartend neben ihn.
Pierre stand noch immer stumm und staunend da. Er wagte kaum zu atmen.
„Ich möchte, dass du zu de Nogaret eilst und ihm eine Nachricht von mir überbringst.“
Philipps scharfe Stimme riss Pierre abrupt aus seinen Gedanken. Bevor er jedoch antworten konnte, horchte der König auf, erhob sich und ging mit ein paar eiligen Schritten an den anwesenden Herren vorbei zu einem der Fenster in seiner Nähe. Auch Pierre hatte etwas gehört und reckte neugierig den Hals, um über den königlichen Rücken hinweg etwas sehen zu können.
„Dieser elende Pöbel!“, rief Philipp außer sich und starrte hinaus in die Dunkelheit, in der Pierre einen roten Lichtschein ausmachte.
Die anwesenden Berater des Königs, die eilig herbeigelaufen waren, um neben ihrem Herrn aus dem Fenster zu sehen, machten erschrockene Gesichter. Einer bekreuzigte sich und faltete nervös die Hände.
Drei
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