Die Rose von Asturien
Roland wollte noch mehr sagen, doch der König winkte ab.
»Schade! Ich hatte gehofft, Eward würde sich ihn anstelle von Hildiger zum Vorbild nehmen. Immerhin sind sie beide im gleichen Alter.«
»Hildiger hat Eward eingeredet, ein Bauer wäre weit unter der Würde eines Fürstensohns«, erklärte Roland.
Karl schnaubte verächtlich. »Hildiger war auch nicht mehr, als ich ihn Eward zum Gefährten gegeben habe. Alles, was er erreicht hat, ist er allein durch dessen Gunst geworden.«
»Dessen ist Hildiger sich bewusst, und daher tut er alles, um sich Ewards Freundschaft zu erhalten, mein König. Dazu gehört auch zu verhindern, dass andere in dessen Gunst aufsteigen können.«
»Vorerst will ich nichts ändern. Schicke ich Hildiger weg, wird Eward ihm heimlich folgen. Damit würde er sich der Verweigerung der Heeresfolge schuldig machen, und darauf steht der Tod oder strenge Haft. Verzeihe ich ihm aber, würden andere glauben, ebenso handeln zu können. Lieber lasse ich zu, dass Hildiger bei Eward bleibt, anstatt den Jungen auf diese Weise zu vernichten. Unser Herrgott im Himmel wird ein Einsehen haben und Eward die Augen öffnen. Vielleicht bewirkt er dies bereits mit Hilfe der jungen Spanierin. Wie sieht sie denn aus?« Karls Miene verriet Neugier. Auch wenn er seiner jetzigen Gemahlin Hildegard im Großen und Ganzen treu blieb, so sah er doch gern schöne Mädchen um sich.
Roland zuckte mit den Achseln. »Sie ist recht ansehnlich. Aber Ihr hättet Eward auch eine alte Vettel schicken können. Die wäre auch nicht schlechter behandelt worden als die Rose von Asturien.«
»Das wird sich ändern«, erklärte Karl bestimmt. Da er die Mauern von Pamplona nun vor sich aufragen sah, verdrängte er sowohl Eward wie auch Ermengilda aus seinen Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was ihn hier erwarten mochte.
Die Wächter auf den Wehrgängen waren nicht gewohnt, hohe Herren zu Fuß herankommen zu sehen, und starrten die beiden Männer, die von einer halben Armee gepanzerter Krieger begleitet wurden, mit großen Augen an. Die Frage, wer der Mann in Rolands Begleitung sei, erstarb dem herbeieilenden Kommandanten auf der Zunge angesichts der imponierenden Gestalt des Königs und des goldenen Kronreifs, der Karls blonde Locken niederdrückte. Auch gab es nur einen Herrn in der Christenheit, dem ein Banner mit goldenen Flammen auf rotem Grund vorangetragen wurde.
»Ich will mit Graf Eneko sprechen, dem Herrn dieser Stadt«, rief Karl mit fester Stimme.
Nun rannten die Wachen wie aufgescheuchte Hühner umher. Die meisten begriffen nicht einmal, dass es nur eines Pfeils bedurft hätte, um den König der Franken endgültig loszuwerden, und wen es doch in den Fingerspitzen juckte, der stellte sich vor, welche Folgen diese Tat für Iruñea und ganz Nafarroa haben würde, und schob diesen Gedanken weit von sich.
Eneko begriff, dass er in einer Zwickmühle steckte, die keinen Ausweg bot. Mit Roland, dem Befehlshaber der Vorhut, hatte er von der Höhe der Mauer herab sprechen können. Aber wenn er Karl, den mächtigsten König der Christenheit, genauso behandelte, würde er ihn auf eine Weise beleidigen, die nur mit Blut zu sühnen wäre. Auch durfte er den König nicht wie einen Bittsteller vor dem Tor warten lassen, wollte er nicht dessen Zorn erregen.
Kurz erwog er, Tisch und Stühle vor die Stadt bringen zu lassen, um auf diese Weise mit Karl zu verhandeln. Ein Blick aufden unwillkommenen Gast ließ ihn jedoch davon absehen. Dieser König gab sich nicht mit weniger zufrieden als der Übergabe der Stadt. Die zu verweigern hieße, sich als Karls Feind zu bekennen.
Ein Krieg mit den Franken, die am Anfang ihres Feldzugs noch im vollen Saft standen, war allen Drohungen Jussuf Ibn al Qasis zum Trotz das Letzte, was Eneko sich leisten konnte. Da hätte er sich gleich selbst einen Strick um den Hals hängen und als Sklaven an die Mauren verkaufen können. Also musste er in den sauren Apfel beißen und sich den Franken unterwerfen.
Eneko befahl, das Tor zu öffnen, und sah mit einer höllischen Wut im Bauch zu, wie die fränkischen Krieger noch vor dem König hereinströmten und seine Männer zur Seite drängten. Als der König eintrat, waren bereits genug Franken in der Stadt, um diese notfalls mit Gewalt nehmen zu können. Entschlossen, auch diese Heimsuchung zu überstehen, ging Eneko Karl entgegen und beugte sein Knie.
»Ich heiße Euch in Iruñea willkommen, Euer Majestät.«
12.
D
ie Landschaft
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