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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Fesseln zuließen, und musterte Maite mit Abscheu. »Von deinen Händen tropft das Blut! Du bist kein weibliches Wesen mehr. Statt Leben zu schenken, wie Gott der Herr es uns Frauen aufgetragen hat, hast du Leben genommen. Dein Rachedurst hat dich blind gemacht und wird dich noch gänzlichzerstören! Es ist richtig, dass mein Vater den deinen getötet hat. Aber Iker wurde ihm durch einen von euren Leuten ans Messer geliefert.«
    Damit sagte Ermengilda Maite nichts Neues, denn sie hatte schon damals gehört, wie sich die Asturier dessen gerühmt hatten. Dennoch fühlte sie es heiß durch ihre Adern rinnen. Sie sprang auf, kniete neben dem Diwan nieder, auf den die Sklavinnen Ermengilda gebettet hatten, und packte sie.
    »Wer war es? Ich flehe dich an, nenne mir endlich seinen Namen!«
    Ermengilda erschauerte unter dem rasenden Gesichtsausdruck der Waskonin. Plötzlich sah sie aber auch wieder das kleine Mädchen vor sich, das ihren Leuten entrissen und verschleppt worden war, und in ihren Ohren hallte das Klatschen der Stockhiebe, die Alma der Drache Maite versetzt hatte. Ein Kind, das so behandelt worden war, konnte nur noch Hass empfinden.
    »Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe, und auch, dass ich dich verletzt habe.« Da der Wahnsinn, der sie für kurze Zeit gepackt hatte, wieder gewichen war, schämte Ermengilda sich.
    »Den Namen! Sag mir den Namen!«, forderte Maite.
    Erregt schüttelte Ermengilda den Kopf. »Ich kenne ihn doch nicht. Das habe ich dir schon mehrmals erklärt! Der Name des Verräters ist nie gefallen, zumindest nicht vor meinen Ohren. Ich versuche doch, mich zu erinnern! Aber es gab keinen Hinweis … oder vielleicht doch! Wenn ich mich recht entsinne, muss der Mann in eurem Dorf leben und mit deinem Vater verwandt sein. Ramiro hat damals gespottet, der Verräter wolle seinen Schwager beerben – oder so etwas Ähnliches.«
    Da Maite nie über ihre Sippe gesprochen hatte, ahnte Ermengilda nicht, was sie da sagte. Iker hatte nur einen Schwager gehabt, und das war Okin.
    Maite sank kraftlos zu Boden und rang stumm um Fassung.Also doch Okin! Der Bruder ihrer Mutter war der Verräter gewesen.
    Sie hatte es all die Jahre geahnt und doch nicht glauben wollen, denn er hatte nach ihrer Flucht niemals etwas getan, das ihr Leben in Gefahr gebracht hätte. Nachdem sie aus der asturischen Burg zurückgekehrt war, hatte er sie in sein Haus aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie alles lernte, was von der Frau eines einflussreichen Häuptlings erwartet wurde. Dabei hatte er genau gewusst, dass sie nach dem Gesetz des Blutes die Häuptlingswürde an ihren Ehemann vererben würde.
    Dann erinnerte Maite sich, wie geschickt ihr Onkel seine Macht ausgebaut und sie zur Seite gedrängt hatte. Noch einmal sah sie die Szene vor sich, in der Okin Roderich völlig unnötig darauf hingewiesen hatte, dass sie Ikers Tochter sei. Schon damals hatte er sich ihrer unauffällig entledigen wollen. Wäre sie bei den Asturiern aufgewachsen, hätten die ältesten des Stammes ihr das Recht abgesprochen, eine echte Waskonin und die wahre Erbin Ikers von Askaiz zu sein. Nach ihrer Rückkehr hatte Okin zwar keinen Versuch gemacht, sie zu beseitigen, aber Estinne hatte ihr nie erlaubt, mit anderen Mädchen Freundschaft zu schließen, weil sie angeblich etwas Besseres sei. Nun begriff sie, dass Okin und seine Frau es darauf angelegt hatten, sie dem Stamm zu entfremden.
    »Okin also!« Maites Rechte griff an die Hüfte, an der sie sonst immer ihren Dolch trug. Doch die Stelle war leer. Die Sklavinnen hatten ihre Waffen beiseitegeräumt. Sie wollte sie schon zurückrufen und sie auffordern, ihr Dolch, Schleuder und Kurzschwert wiederzubringen, tat es dann aber doch nicht. Der Harem des Gästetrakts bot zwar Sicherheit vor zudringlichen Männern, aber er stellte gleichzeitig ein Gefängnis dar. Außerdem hätte sie selbst, wenn es ihr gelänge, den Harem zu verlassen, erst Okins Kammer suchen müssen. In den ihr unbekannten Gebäuden wäre sie kaum unbemerkt an den Wachenvorbeigekommen, und Okin hätte erfahren, dass sie in seiner Nähe entdeckt worden war. Aber er musste arglos bleiben, sonst hatte sie keine Chance, nahe genug an ihn heranzukommen, um ihm die Klinge in sein schwarzes Herz zu stechen.
    »Ich habe ein Jahrzehnt auf meine Rache gewartet. Da kommt es auf eine Stunde oder einen Tag mehr nicht an«, sagte sie zu sich selbst und blickte dann Ermengilda an. »Kann ich dich losbinden? Nicht, dass du wieder auf mich

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