Die Rose von Asturien
er aufblickte, sah er verwunderte Hundeaugen auf sich gerichtet. Schließlich versank er in einen Dämmerschlaf, in dem er immer noch seinen gemarterten Körper spürte und wirre Träume durchlebte, in denen er ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte, Ermengilda zu retten. Irgendwann merkte er, dassihm nicht mehr so kalt war, und begri?, dass sich einige Hunde an ihn geschmiegt hatten und ihn wärmten. Mit dem Gedanken, dass diese Tiere gnädiger waren als ihre Herren, schlief er wieder ein.
Als er erwachte, herrschte im Hof bereits reges Treiben. Konrad fühlte sich noch zerschlagener und schwächer als am Vortag, und es graute ihm davor, auf die Beine gestellt und erneut an den Schweif des Pferdes gebunden zu werden. Doch niemand kam, um ihn zu holen. Er konnte nicht ahnen, dass der Berber beschlossen hatte, die Gastfreundschaft Jussuf Ibn al Qasis für einen weiteren Tag in Anspruch zu nehmen und den vorgeschriebenen Gebeten in der Moschee von Saragossa beizuwohnen.
Da sich niemand um ihn kümmerte, blieb Konrad einfach liegen, bis einer der Knechte die steinerne Wanne gesäubert und mit frischem Wasser gefüllt hatte. Diesmal schmeckte der Inhalt nicht nach Schlamm. Er stillte gierig seinen Durst und hoffte, man werde ihm auch etwas zu essen geben. Doch als die Hunde gefüttert wurden, erhielt er nichts.
Einige Zeit später betrat eine Magd den Hof. Sie trug eine Schüssel auf dem Kopf und kam auf den Zwinger zu.
»Was willst du?«, fragte einer der Hundewärter.
»Ich bringe dem Gefangenen Essen. Der ruhmreiche Fadl Ibn al Nafzi wünscht nicht, ihn vor der Zeit, die Allah für ihn bestimmt hat, sterben zu sehen.«
»Dummes Ding! Der Franke wird genau zu dem Zeitpunkt sterben, den Allah bestimmt.« Der Mann lachte, trat aber beiseite.
»Pass auf, dass die Hunde nicht dich für eine leckere Mahlzeit halten!«, rief er der Frau noch nach.
Konrad hatte sich in seinen Schmerz vergraben und nahm zunächst gar nicht wahr, wie die Frau in den Zwinger kam und neben ihm stehen blieb. Erst als sie ihn mit der Fußspitze anstieß,blickte er auf und spürte im selben Augenblick, wie eine eisige Hand sein Herz packte. Über ihm gebeugt stand ein Wesen so schwarz wie die Nacht oder die Sünde. Der Körper des Geschöpfs, der in einem einfachen Kittel steckte, wies Ähnlichkeiten mit weiblichen Formen auf, und das Gesicht wirkte bei aller Fremdartigkeit ebenfalls wie das einer Frau. Dennoch war Konrad überzeugt, einen Dämon Luzifers vor sich zu sehen, der ihn mit sich in die feurigen Klüfte der Hölle schleppen würde.
Also war er in der Nacht gestorben. Diese Erkenntnis tat ihm weniger weh als sein Körper, der sich noch ausgesprochen lebendig anfühlte. Eigentlich hatte Konrad gedacht, mit dem Tod ende auch jeder Schmerz, doch wie es aussah, hatte er sich getäuscht.
Jetzt beugte sich der Weibsdämon über ihn und packte ihn am Kopf. Konrad glaubte, er werde ihm den Hals umdrehen. Stattdessen stützte ihn der schwarze Geist mit der einen Hand, wischte ihm mit der anderen den Schmutz von den Lippen und holte einen länglichen, köstlich duftenden Gegenstand aus der Schüssel.
»Du müssen langsam essen. Ist Brot«, erklärte das Wesen im Romanisch des spanischen Nordens. Auch wenn es stockend sprach, so besaß die Stimme einen unverkennbar weiblichen Klang.
Nun sah Konrad das Wesen genauer an. Da es sich stark vorbeugte, sah er durch den Halsausschnitt seines Kittels auf zwei dunkle, wohlgeformte Brüste. Nun erinnerte er sich, von Philibert gehört zu haben, dass in einem Land, welches noch weiter südlich liegen sollte als Spanien, die Nachfahren Hams lebten, die Gott aus Strafe für die Weigerung ihres Ahnen, seinem Vater Noah zu gehorchen, mit schwarzer Haut geschlagen hatte. Also war das Wesen eine Tochter dieser Unglücklichen.
Gehorsam öffnete er den Mund. Da er genug getrunken hatte, fiel es ihm trotz seines wunden Munds nicht schwer, das dünne, zu einer Wurst gerollte Brot zu kauen, das ihm die Schwarze zwischen die Zähne schob. Es schmeckte köstlicher als alle Äpfel des Paradieses. Gleichzeitig bemerkte er, dass dieser Fladen, der beinahe so flach war wie ein Pfannkuchen, kleine Fleischstücke enthielt und eine Soße, die man mit aufgerollt hatte. Aus dem ängstlichen Blick, mit dem die Frau ihre Umgebung bedachte, schloss er, dass sie nicht von Fadl Ibn al Nafzi geschickt worden war oder zumindest nicht tat, was er angeordnet hatte. Das rechnete er ihr hoch an.
»Hab Dank!«, flüsterte er
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