Die Rose von Asturien
losgehst.«
»Sei unbesorgt! Ich sagte doch, dass es mir leidtut.«
Maite musterte sie eindringlich, löste dann die Knoten und warf die Seidenbänder in eine Ecke. »Ich wollte es wirklich nicht«, flüsterte sie.
Ermengilda begriff, dass sie nicht die Fesseln meinte, die die Sklavinnen ihr angelegt hatten, sondern jenen grauenvollen Tag in der Schlucht von Roncesvalles. Die Feindschaft und der alte Hass, die vom ersten Tag ihrer Begegnung an wie eine Mauer zwischen ihnen gestanden hatten, lösten sich auf, und sie zog Maite an sich.
Als die Sklavinnen kurz darauf wiederkehrten, um zu sehen, ob die Gäste noch etwas benötigten, lagen die beiden eng umschlungen in tiefem Schlaf.
6.
K
onrads Nachtquartier bestand nicht aus einem mit Seidenvorhängen geschmückten Raum und einem weichen Diwan, sondern aus stinkendem Matsch und Gittern. Als man ihn in den Zwinger geschleift hatte, waren die Hunde jaulend zurückgewichen, doch nun kamen sie näher und beschnüffelten ihn misstrauisch. Einige schnappten sogar nach ihm, so als wäre er ein Brocken Fleisch, den man ihnen zugeworfen hatte.
Da Konrad gefesselt war, konnte er die Tiere nicht abwehren, und fürchtete, sie würden ihn zerreißen. Er wusste, dass er keine Angst zeigen durfte, denn das würde die Tiere reizen. Daher drehte er sich auf den Bauch und blieb einfach wie tot liegen. Immer wieder spürte er die kühlen Schnauzen auf seinem Körper und erwartete den nächsten, tiefer gehenden Biss.
Allmählich verloren die Hunde das Interesse an ihm und liefen zu dem Wärter, der ihnen Fleischstücke hinwarf. Der Mann füllte auch den Trog, aus dem sie saufen sollten. Konrad hörte Wasser plätschern und fuhr sich mit der Zunge über die verharschten Lippen. Mühsam schob er sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und steckte seinen Kopf in das Gefäß. Einige Hunde gesellten sich zu ihm, um ebenfalls zu trinken, während Ermo und die maurischen Knechte ihn verspotteten.
»Hier könnt ihr sehen, dass alle Giauren Hunde sind, die sich mit unreinen Tieren im Dreck wälzen und aus ihren Näpfen fressen«, rief einer der Männer und versetzte Konrad einen Hieb mit der Peitsche, mit der er sonst die Hunde unter Kontrolle hielt.
Da Konrad auf nichts reagierte, sondern wie tot liegen blieb, wurde es den Männern bald zu langweilig, den Gefangenen zu verspotten. Sie wandten sich ab, um den Raum aufzusuchen, in dem das Abendessen ausgegeben wurde. Bereits im Gehen drehte sich einer zu Ermo um. »Kommst du mit?«
Ermo verstand ihn durch die Geste, mit der er diese Worte begleitete, und zeigte auf Konrad. »Was ist mit ihm? Wenn die Hunde ihn zerfleischen, wird Fadl mich hinrichten lassen.«
Der oberste Hundewärter verstand trotz des Radebrechens, was Ermo ihm sagen wollte, und warf den Tieren einen prüfenden Blick zu. »Dem geschieht schon nichts. Die Hunde sind satt gefressen und müde. Ich will jetzt zu Abend essen.«
Das Wort Essen verstand Ermo. Da er keine Lust hatte, die ganze Nacht hungrig bei Konrad zu sitzen und aufzupassen, schloss er sich den Knechten an.
»Was gibt es denn Gutes?«, fragte er und benutzte dabei neu gelernte Ausdrücke. In seiner Vorstellung sah er schon einen appetitlichen Schweinebraten vor sich.
Der Hundewärter lachte über seine Gesten. »Hirseeintopf mit Hammelfleisch. Du wirst sehen, der schmeckt gut.«
Zwar fand der Mann die Verständigung mit dem Franken mühsam, aber er war neugierig, mehr über dieses Volk zu erfahren. Daher schlang er seinen rechten Arm um Ermo, so als wäre dieser sein bester Freund.
Konrad blieb im Hundezwinger zurück und fragte sich, was er verbrochen hatte, dass Gott der Herr ihn so strafte. Sein ganzer Körper bestand aus Schmerz. Da kam es auf ein paar Hundebisse auch nicht mehr an. Wenigstens hatte er endlich genug trinken können. Zwar verspürte er auch Hunger, doch er wagte es nicht, den Hunden das Fleisch oder die Brotreste, die noch herumlagen, streitig zu machen.
Am Himmel erschienen die ersten Sterne. Aber Konrad blickte nicht einmal zu ihnen auf. Da vor allem sein Rücken von der Sonne verbrannt war, blieb er auf dem Bauch liegen und sehnte sich danach, im Schlaf seine Qualen und die Erinnerung an die Katastrophe zu vergessen.
Zu den Schmerzen kam jetzt noch die Kälte, denn so heiß die Sonne tagsüber vom Himmel gebrannt hatte, so kühl wurde es in der Nacht. Da er nackt war, zitterte Konrad bald am ganzen Körper. Nach einer Weile klapperten seine Zähne, und als
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