Die Rose von Asturien
Hirten, ihm einen Becher Wasser zu reichen, damit ihm die Kehle nicht so trocken war. Nach zwei Schlucken begann er zu erzählen.
Karl hatte von den Hirten einen Becher Schafsmilch, ein Stück hartes Brot und bröckeligen Käse erhalten, kam aber nicht dazu, etwas zu essen, so angespannt lauschte er Philiberts Bericht. Erst als dieser geendet hatte, stellte er eine erste Frage: »Du sagst, die Angreifer seien Waskonen und Gascogner gewesen.«
»Ja, Herr! Ich habe sie genau gesehen. Allerdings waren auch Mauren bei ihnen. Die haben uns zunächst nur mit Pfeilen beschossen, aber als es daran ging, unsere verletzten Kameraden abzuschlachten, waren sie eifrig mit dabei.«
»Heiden und Christen gemeinsam gegen meine Männer! Beim Heiland, welcher Wahnsinn hat Waskonen und Gascogner geritten?« Der König wollte es kaum glauben, erinnerte sichdann aber, dass auch Graf Eneko versucht hatte, ihm die Hilfe zu verweigern, und lachte bitter auf.
»Es hätte nur noch gefehlt, dass auch die Asturier mit auf der Seite unserer Feinde gestanden hätten.«
»Das war nicht der Fall«, erklärte Philibert. »Uns stand keine übermäßig große Zahl an Feinden gegenüber, aber sie hatten den Vorteil des Geländes für sich und wussten ihn auszunützen. Den Unsrigen sind die Pfeile und Steine nur so um die Ohren geflogen, und da Eward …«
»Was ist mit meinem Halbbruder?«, fragte Karl scharf.
»Ich will ja nichts gegen ihn sagen, aber durch seine Schuld hat sich der Heerzug immer weiter auseinandergezogen, bis schließlich die Lücke entstand, durch die uns die Angreifer trennen und uns auch noch von der Mitte her in die Zange nehmen konnten.«
»Aber ihr hattet doch die Geiseln bei euch! Das hätte die Waskonen davon abhalten müssen, euch anzugreifen«, rief Karl erregt aus.
Philibert schüttelte den Kopf. »Wir glaubten, die Geiseln wären bei Euch, denn sie waren nach Eurem Abmarsch nicht mehr da.«
»Ich habe sie gewiss nicht mitgenommen, sondern Eward befohlen, sich um sie zu kümmern.«
»Wie so vieles, was Eward befohlen wurde, ist auch das nicht geschehen. Hätte er kundgetan, dass die Geiseln verschwunden sind, hätte Herr Roland von Graf Eneko andere fordern können. So aber glaubten wir, es sei alles in Ordnung, und sind wie Blinde in den Untergang gezogen!« Philiberts Stimme schwankte, und er hasste Eward in diesem Augenblick fast noch mehr als die Mauren und Waskonen.
Karl vernahm die Bitterkeit, die aus Philiberts Worten sprach und für die er im Grunde selbst die Schuld trug. Er hatte Eward geliebt wie einen eigenen Sohn und seine Schwächenviel zu lange ignoriert. Deswegen hatten zahlreiche tapfere Männer sterben müssen. Er spürte, wie die Wut, in die er seine Krieger versetzt hatte, die gegen die Sachsen ziehen sollten, nun auch in ihm hochstieg. Am liebsten hätte er das Heer zurückgerufen, um jene zu strafen, die Rolands Schar vernichtet hatten. Doch er rief sich sofort zur Ordnung. Es hatte wenig Sinn, dieses Gebirge zu durchstreifen und ein paar armselige Hirten zu erschlagen. Dadurch würden die Sachsen nur noch mehr Zeit gewinnen, den Osten seines Reiches zu verheeren.
War dies vielleicht die Absicht des Herrn von Córdoba?, fragte er sich. Wenn er jetzt gegen die Waskonen zog, würde er diese schwächen und es den Mauren damit leichter machen, sie zu unterwerfen. Doch er selbst war zurzeit nicht in der Lage, einen festen Stützpunkt südlich der Pyrenäen einzurichten. Bevor dies geschah, musste er die Sachsen für ihre Falschheit bestrafen und dafür Sorge tragen, dass es auch an den übrigen Grenzen seines Reiches friedlich blieb.
Dieser Entschluss fiel ihm nicht leicht, da das in Roncesvalles vergossene Blut nach Vergeltung schrie. Karl atmete tief durch und klopfte Philibert auf die Schulter. »Ich freue mich, dass du noch lebst.«
»Andere hatten weniger Glück als ich«, antwortete der junge Krieger betrübt.
Karl nickte. »So ist es. Deshalb solltest du unserem Heiland im besonderen Maße danken, dass er dich errettet hat. Doch nun höre mir gut zu. Das, was in Roncesvalles wirklich geschehen ist, darf niemand erfahren. Es könnte die Gascogne und darüber hinaus ganz Aquitanien in Brand setzen.«
»Aber die Toten kann man nicht verschweigen«, wandte Philibert ein.
»Das kann man nicht«, stimmte der König ihm zu. »Aber würde es die Runde machen, ein paar lumpige Berghirten hättenmit Steinschleudern, wie Knaben sie zum Spielen verwenden, ein fränkisches Heer vernichtet,
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