Die Rose von Asturien
sichern, und wird so schnell nicht zurückkehren!«
Was als Spott gedacht war, rief bei Maite große Erleichterung hervor. Fadl war fort!, jubelte es in ihr. Also würde er so schnell nicht wieder in ihre Kammer kommen und sie zwingen, ihm zu Willen zu sein. Nun konnte sie dem Eunuchen und den Sklavinnen vorgaukeln, ihr Wille sei gebrochen. Damit gewann sie Zeit und konnte vielleicht einen Weg finden, von hier zu verschwinden.
Noch während sie über diese neuen Entwicklungen nachdachte, hörte sie, wie die Tür ging, und drehte sich um. Für einen Augenblick sah sie einen Arm, der ein Tablett hereinstellte, das mit einem Tuch abgedeckt war. Bevor sie jedoch etwas tun konnte, verschwand der Arm wieder, und die Tür fiel ins Schloss. Sie hörte noch, wie der Riegel vorgeschoben wurde, achtete aber nicht darauf, sondern eilte zu dem Tablett. Als sie das Tuch abnahm, fand sie eine Schüssel mit Hirseeintopf vor, in der Fleischstücke vom Hammel steckten, und im Krug war frisches, mit Fruchtsorbet versetztes Wasser.
Während Maite durstig trank und danach den Eintopf löffelte, sagte sie sich, dass doch jemand in diesem Haus Mitleid mit ihr zeigte. Dies wertete sie als gutes Zeichen und nahm es als Omen, dass ihr die Flucht gelingen könnte.
4.
A
n diesem Morgen war Ermengilda schon beim Aufstehen übel. Sie kam gerade noch bis zum Abtritt, dann übergab sie sich in quälenden Wellen. Während sie den Mund angeekelt mit Wasser ausspülte, versank sie immer tiefer im Elend undschluchzte zuletzt hemmungslos, weil das Schicksal ihr so übel mitspielte. Dabei wusste sie sehr wohl, dass auch ihr eigener Vater sie notfalls als Friedensgabe einem Maurenfürsten übergeben hätte. In dem Fall wäre es ihre Pflicht gewesen, sich Abd ar-Rahman zu fügen und zu gehorchen. Ihr Herz rebellierte jedoch gegen diese Vorstellung. In ihren Träumen sah sie Nacht für Nacht Philibert tot und erschlagen vor sich liegen, und sie erlebte in ihrer Phantasie die Qualen mit, die Konrad erdulden musste.
Ihr Magen setzte ihren trüben Gedanken mit einem heftigen Knurren ein Ende, und sie verspürte mit einem Mal einen solchen Heißhunger, dass sie ein Sofakissen hätte verspeisen können. Sie musste sich jedoch gedulden, bis eine ältere Magd in ihre Kammer trat und ein Tablett auf das kleine Tischchen stellte.
Ermengilda schlich sich an das Tablett heran wie eine Katze an die Maus und öffnete die erste Schüssel. Diese enthielt Hirsebrei nach afrikanischer Art mit Hühnerfleisch. Daheim war sie gewohnt, einen Löffel zu benutzen, und sie hatte sonst auch hier einen bekommen. Diesmal aber hatte die Magd ihn vergessen. Während die dunkelhäutige Frau noch unter vielen Entschuldigungen die Kammer verließ, um den Löffel zu holen, griff Ermengilda mit beiden Händen zu und stopfte sich den Brei in den Mund, als wäre sie am Verhungern.
Sie aß weiter, und als sie aufhörte, waren sämtliche Schüsseln geleert, und ihr lief der Honig, mit dem die Nachspeise gesüßt worden war, in einem feinen Faden über das Kinn.
Die Magd kam zurück, schüttelte nur den Kopf und trug dann das Tablett mit den leeren Schüsseln hinaus. Ermengilda hingegen fühlte sich so satt und zufrieden wie lange nicht mehr. Sie wunderte sich selbst über ihre Gefühle, die wie ein Schifflein im Sturm schwankten. Dann aber traf es sie wie ein Blitz.Ähnlich wie sie hatte ihre Mutter reagiert, als sie mit ihrer Schwester schwanger gewesen war.
Ermengilda horchte in sich hinein und fragte sich, wann sie das letzte Mal geblutet hatte. Wenn sie sich richtig erinnerte, war das gewesen, als König Karls Heer Pamplona erreicht hatte, um von dort weiter nach Saragossa zu ziehen. Wenn sie wirklich schwanger war, musste ihr verstorbener Ehemann der Vater sein, denn es waren nicht einmal drei Wochen vergangen, seit Abd ar-Rahman sie das erste Mal hatte zu sich rufen lassen.
Was würde der Maure sagen, wenn er von ihrem Zustand erfuhr? Würde er ihr Kind als das seine ansehen oder als das eines Franken? Wenn es ein Mädchen war, würde sie es wohl behalten dürfen, bis es alt genug war, einem anderen Mauren als Sklavin zu dienen. Einen Sohn aber würde der Emir vermutlich gleich umbringen oder – was ihr noch schrecklicher schien – kastrieren und zum Eunuchen erziehen lassen.
Ermengilda versank erneut in Trübsal, und als der Obereunuch kam, um nachzusehen, ob sie mit allem zufrieden sei, fand er sie zusammengekrümmt auf ihrem Diwan liegen und weinen. »Verzeiht,
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