Die Rose von Asturien
her, während die Knechte, die der Obereunuch des Palastes geschickt hatte, und die eigenen Wächter dafür sorgten, dass die Gruppe unbehelligt die Straßen passieren konnte.
6.
A
ls Maite eintrat, eilte Ermengilda ihr entgegen und schloss sie in die Arme. »Ich bin so froh, dich zu sehen!« Dann betrachtete sie ihre Freundin und schüttelte den Kopf.
»Du siehst nicht gut aus. Bist du krank?«
Maite schüttelte den Kopf. »Nein, nur zornig.«
»Warum?«
»Mein Onkel hat mich Fadl Ibn al Nafzi überlassen, als sei ich eine Sklavin oder Kriegsbeute.«
Mehr sagte sie nicht, doch Ermengilda verstand auch das Unausgesprochene und schauderte. »Nach deinem Vater hat er jetzt auch dich verraten.«
»Im Gegensatz zu meinem Vater lebe ich noch, und ich werde das Wort Rache nicht vergessen, solange ich atme.« Maite klopfte gegen den Dolch, den sie unter ihrer Kleidung trug, und sah dabei so blutrünstig aus, dass Ermengilda vor ihr zurückwich.
»Also willst du dich auch an meinem Vater rächen?«
Für einige Augenblicke schwand die enge Verbundenheit, die sie während des letzten Teils ihrer Reise nach Córdoba verspürt hatten, und sie starrten sich wie Feindinnen an.
Maite fasste sich als Erste und senkte den Kopf. »Mir geht es um Okin. Dein Vater ist ein Krieger und hat nur seinen Besitz verteidigt.« Es fiel ihr nicht leicht, das zu sagen, doch wenn sie fliehen wollte, benötigte sie Ermengildas Hilfe. Diese würde jedoch keinen Finger für sie rühren, wenn sie ihren Vater gefährdet sah.
»Ich wünsche dir, dass du Okin so bestrafen kannst, wie er es verdient. Doch sag mir jetzt: Wie geht es Konrad? Wird er immer noch so grausam gemartert?«
»Fadl weilt im Augenblick in der Ferne, und seine Bediensteten scheinen nicht so grausam zu sein wie ihr Herr. Zumindest peitschen sie ihn nicht jeden Morgen aus«, antwortete Maite. Ermengilda faltete die Hände wie zum Gebet. »Dem Heiland sei gedankt. Und? Weißt du, ob er eine Möglichkeit zur Flucht herausgefunden hat?«
»Warum willst du denn fliehen? Wirst du so schlecht behandelt?«Maite musterte ihre Freundin und fand, dass diese gesund und gut genährt wirkte. In ihren Augen führte die Asturierin ein bequemes Leben und würde als eine der Nebenfrauen Abd ar-Rahmans vor allen Stürmen des Lebens bewahrt bleiben.
Ermengilda lachte bitter auf. »Ich muss hier weg! Bislang musste ich zwei Männern gehorchen, denen ich keine Liebe entgegenzubringen vermochte, aber ich will Herrin meines eigenen Leibes werden und diesen nur einem Mann schenken, den ich liebe.«
»Zum Beispiel Konrad«, stichelte Maite.
»Er ist ein treuer Mann und würde mich gut behandeln.« Ermengilda seufzte tief, denn sie befürchtete, Konrad würde vielleicht nicht glücklich sein, von ihrer Schwangerschaft zu erfahren. Aber er würde sie als Witwe ehren, die ihrem toten Mann einen letzten Dienst erwies, indem sie sein Kind in dessen fränkische Heimat brachte.
Maite wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Es erschien ihr schon schwer genug, für sich selbst eine Gelegenheit zur Flucht zu finden. Doch Frauen waren in den Maurenländern nicht ohne männliche Begleitung unterwegs, und daher würde es ihr ohne Konrad kaum gelingen, bis in die christlichen Länder zu gelangen. Mit einem Mal hob sie jedoch den Kopf und lächelte. Man brauchte Leim, um Fliegen zu fangen. Ermengilda mochte dieser Leim sein, an dem Konrad so kleben blieb, dass der sture Kerl ihr zuhören musste.
»Ich werde versuchen, mit Konrad zu reden, wenn er wieder in der Nähe meines Fensters arbeitet. Wir müssen nur hoffen und beten, dass Fadl Ibn al Nafzi lange genug fortbleibt.«
Ermengilda bedachte sie mit einem waidwunden Blick. »Wir haben nur sehr wenig Zeit! Ich bin schwanger, und zwar von meinem verstorbenen Ehemann. Wenn das entdeckt wird, weiß ich nicht, wie der Emir reagiert. Vielleicht bringt er michum. Außerdem muss ich von hier weg, solange ich noch die Anstrengungen einer Flucht ertragen kann.«
Maite war es, als hätte Ermengilda eben einen Eimer Eiswasser über ihr ausgeleert. »Du bist schwanger? Beim Heiland, was können wir jetzt noch tun?«
»Fliehen!«, antwortete Ermengilda. »Konrad muss einen Weg finden.«
»Du traust ihm wahre Wunderkräfte zu«, spottete Maite, die die Hoffnungen absurd fand, die Ermengilda in den fränkischen Krieger setzte. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie tatsächlich ein Wunder benötigten, welches ihnen den Weg in die Freiheit
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