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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ausgingen.
    »Dann geh zu ihrem Vater und verlange Geld für sie.«
    In der Stimme des Hirten schwang ein Unterton, der Unai aufhorchen ließ. War es die Gier nach Geld oder einer anderen Belohnung, die den Mann dazu trieb, ihm diesen Vorschlag zu machen? Hirten waren ein eigenes Volk. Sie lebten einen großen Teil des Jahres fern von ihren Stämmen und zogen mit den Herden von Weideplatz zu Weideplatz. Auch wenn sie gelegentlich ein Tier aus einer anderen Herde stahlen, so waren ihre Bindungen untereinander doch enger als die zu ihrem Stamm. Bei diesem Gedanken fragte er sich, wie viele Hirten bereits wussten, wo die Asturierin sich befand. Möglicherweise war schon einer unterwegs, um die Information an Graf Roderich oder die Franken zu verkaufen.
    »Wenn du sie nicht freilassen willst, dann schaff sie zu den Franken!«, fügte der Hirte hinzu.
    »Was glaubst du, was Maite dazu sagen würde?«
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »Sie hat dir das Mädchen übergeben und damit jeden Anspruch auf die Asturierin verwirkt. Du würdest genug Gold für die Gefangene bekommen, um eine ganze Herde kaufen zu können.«
    Für den Hirten waren die Schafe nicht nur seiner Obhut anvertraute Tiere, sondern machten den Reichtum des jeweiligen Stammes aus. Daher beherrschte auch ihn der Wunsch, die Herde zu mehren. Unai war ebenfalls gewohnt, das Ansehen eines Mannes oder eines Dorfes an der Anzahl seiner Tiere zu messen. »Ich hätte nichts dagegen, mehr Schafe zu besitzen!«, antwortete er.
    Der Hirte verzog verächtlich den Mund, denn er wusste genau, dass der Junge bislang keinen einzigen Lämmerschwanz sein Eigen nannte. Noch herrschte Unais Vater über das Vermögender Sippe, und nach dessen Tod würde er mit etlichen Brüdern und Schwägern teilen müssen. Er wollte den jungen Mann jedoch nicht beleidigen. »Dann ist es abgemacht! Du gehst zu den Franken. Sie werden besser zahlen als Graf Roderich, denn sie sind reicher.«
    Ein Griff zum abgenutzten Knauf des Dolches begleitete seine Worte. In diesem Moment begriff Unai, dass die Hirten sich abgesprochen hatten. Für sie war Ermengilda nicht länger Maites oder seine Gefangene, sondern die ihre, und er würde nur ein Bote sein, der ihnen zu einem ordentlichen Lösegeld verhelfen sollte.
    »Da bleibt mir wohl keine andere Wahl!« Unai stand auf, um nicht mehr zu dem anderen hochschauen zu müssen. Sein Stolz war zwar angekratzt, dennoch fühlte er sich erleichtert, weil er nicht selbst diese Entscheidung hatte treffen müssen. Nun konnte er Maite jederzeit versichern, dass die Hirten ihn zu diesem Schritt gezwungen hatten.
    »Du wirst über die Pyrenäen gehen müssen, um auf die Franken zu treffen. Mache deine Sache gut, dann bist du hinterher ein reicher Mann.«
    »… und ihr werdet auch nicht zu kurz kommen!« Trotz der fröhlich klingenden Worte lag eine unsichtbare Klammer um Unais Hals. Ihm gefiel der Blick nicht, mit dem der Hirte ihn musterte. Männer seiner Art waren rasch mit dem Dolch bei der Hand. Sollte der Kerl zu der Überzeugung kommen, übervorteilt zu werden, würde er nicht zögern, ihn umzubringen.
    Unais Befürchtungen verflogen jedoch wieder. Wenn er Ermengilda holen kam, würden ihm die Franken genügend Krieger mitgeben müssen, um die Hirten in Schach zu halten. Mit dem Gefühl, sich am Ende doch behaupten zu können, kehrte er dem Hirten den Rücken und ging zu der Almhütte hinüber. Diese bestand aus aufeinandergeschichteten Steinen und einem Dach, das fest genug war, um auch die Schneelast desWinters zu tragen. Die Fenster waren so klein, dass nicht einmal ein Kind hindurchkriechen konnte, und an der Tür war ein Riegel angebracht.
    Unai schob diesen zurück und trat ein. Das Innere der Hütte bestand nun aus zwei Räumen, denn auf sein Verlangen war ein Raum abgeteilt worden, damit die Gefangene nicht ständig den Blicken der Hirten ausgesetzt war. Das Mädchen hätte sonst eine zu große Verlockung für die Männer dargestellt. Nun aber würde ihr keine Gefahr von deren Seite mehr drohen. Da die Männer Lösegeld für Ermengilda kassieren wollten, mussten sie dafür Sorge tragen, dass diese unbeschädigt an ihre Familie oder ihren Bräutigam übergeben werden konnte.
    Die Tür zu Ermengildas Gefängnis hatte Unai selbst gefertigt und dazu einen Riegel eingebaut, der sich nur mit einem hölzernen Schlüssel bewegen ließ, den er immer bei sich trug. Nun öffnete er und wartete, bis sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten.
    Ermengilda

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