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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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die Zeit hatte, der Alten mit Händen und Füßen zu erklären, dass er wirklich nur diesen einen Apfel wollte, gab er schließlich auf.
    »Der Teufel soll dich holen!«, rief er der Obstverkäuferin noch zu und trieb sein Pferd an. Dabei beobachtete er einen Jungen, der sich dem Gemüsekarren näherte, blitzschnell zugriff und sofort wieder verschwand.
    Die Alte hatte den Diebstahl ebenfalls gesehen und stieß so schrille Töne aus, dass Rado die Ohren schmerzten. Er zügelte sein Reittier, so dass das Saumpferd gegen seinen Wallach stieß, drehte sich um und sah, wie die Alte einen Mann in einer blauen Tunika und einem schlichten Lederpanzer herbeiwinkte. Dabei redete sie wie ein Wasserfall und zeigte auf einen Spalt zwischen zwei Häusern, in den der Junge geschlüpft war. Der Mann befahl einigen mit Stöcken bewaffneten Kerlen gestenreich, ihm zu folgen, und rannte hinter dem kleinen Dieb her. Da Rado sich über die Frau geärgert hatte, wünschte er dem Kerlchen, entkommen zu können, und trabte die Gasse entlang auf das Stadttor zu.
    Auf einmal tauchte der Junge neben ihm auf, fasste nach seinem Steigbügel und sah grinsend zu ihm hoch. Dann reichte er ihm einen großen, rotwangigen Apfel. »Den wolltest du doch, nicht wahr?«
    Rado lief das Wasser im Mund zusammen, aber dennoch maß er den Jungen mit einem finsteren Blick. »Den hast du doch gerade gestohlen!«
    »Gestohlen?« Der Junge sah ihn mit großen Augen an, als kenne er nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes.
    »Zugeflogen ist er dir doch sicher nicht!«
    »Ich bin beim Laufen gegen den Wagen geprallt, und da ist er mir in die Hand gerollt. Ich konnte ihn doch nicht auf den Boden fallen lassen!«
    Auf den Mund ist das Kerlchen nicht gefallen, dachte Rado, dem es gefiel, dass der Junge seine Sprache beherrschte. »Willst du den Apfel denn nicht selbst essen?«
    Das Bürschchen schüttelte den Kopf. »Nein danke! Ich hatte heute schon einen, nein – sogar zwei! Der ist für dich.«
    Rado starrte den Jungen an, dann den Apfel, und ehe er sichs versah, hielt er die Frucht in der Hand und biss hinein. Sie schmeckte ausgezeichnet.
    »Vergelt’s Gott«, sagte er und wollte sein Pferd wieder antreiben.
    Der Junge aber klammerte sich weiter an seinen Steigbügel.
    »Bitte, nimm mich mit!«
    »Mitnehmen! Dich, Kerlchen? Wie kommst du denn auf diesen Gedanken?«
    »Die Leute hier mögen mich nicht, weil ich fremd bin, und ich bekomme ständig Schläge.« Zwei dicke Tränen tropften aus den großen, blauen Augen.
    Rado hielt sich nicht für weichherzig, doch er empfand Mitleid mit dem Kleinen. Dennoch wollte er ihm nicht alles durchgehen lassen. »Wenn du ihnen Sachen stiehlst, ist es klar, dass sie dich verprügeln wollen.«
    »Keiner gibt mir etwas, und wenn ich nicht stehle, muss ich verhungern! Sie haben gesagt, wenn sie mich das nächste Mal erwischen, schneiden sie mir die Nase ab.« Weitere Tränen liefen über die Wangen des Jungen.
    Rado fluchte und blickte nach vorne. Die anderen Knechte hatten die Stadt längst verlassen. Wenn er sich nicht beeilte, würde er den Anschluss an die Truppe verlieren und bei der nächsten Wegkreuzung möglicherweise die falsche Richtung einschlagen. Damit aber würde er Konrad im Stich lassen und sowohl ihn wie auch dessen Eltern enttäuschen. Dabei hatte Hemma ihm einen besonders schönen Schinken mitgegeben, damit er auf ihren Sohn achtgab.
    Als er sich wieder zu dem Jungen umdrehte, sah er den blau gewandeten Büttel die Gasse heraufkommen. »Ich will nicht, dass sie dir die Nase abschneiden. Los! Steig auf mein Tragtier – und dann nichts wie raus aus der Stadt!«
    Das ließ der Bursche sich nicht zwei Mal sagen. Flink wie eine Katze sprang er auf den Rücken des braven Braunen und streckte dem herbeieilenden Büttel die Zunge heraus.
    Rado begriff, dass es besser war, schnellstens zu verschwinden,und hieb seinem Reittier die Fersen in die Weichen. Der großrahmige Wallach trabte an und zog das leichtere Lasttier einfach mit sich.
    Der Kerl in der blauen Tunika blieb stehen und rief den Wächtern am Tor etwas zu. Einer der Männer wollte sich mit vorgehaltenem Speer in den Weg stellen, sprang aber angesichts der heranpreschenden Pferde beiseite.
    Rado sah noch, wie der Kerl mit dem Speer nach ihm stach, doch im gleichen Augenblick musste er sich tief über den Hals des Pferdes beugen, um nicht mit dem Kopf an der oberen Einfassung des Tores anzuschlagen. Daher glitt die Speerspitze über ihn hinweg, ohne Schaden

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