Die Rose von Asturien
als Maite versuchte, ihm die Situation auf Maurisch begreiflich zu machen, sah er noch ratloser drein. Er schämte sich vor dem jungen Mädchen, das ähnlich wie Just mehrere Sprachen sprechen konnte, während er nur den Dialekt seiner Heimat beherrschte.
Da kam Just, der sich während des Kampfes in der Hütte versteckt hatte, heraus und übersetzte für ihn. Konrad lächelte ihm dankbar zu und sah gleichzeitig, wie Maite spöttisch die Lippen verzog. Das brachte ihn dazu, ihr zu danken. »Ein Gegner mehr hätte ein Gegner zu viel sein können. Du hast uns sehr geholfen.«
Sie zog abwehrend die Schultern hoch, hielt Unai jedoch weiterhin nieder.
Just sah Konrad und danach Philibert mit leuchtenden Augen an. »Ich hätte euch auch geholfen, aber ich habe nichts in der Hütte gefunden, das sich als Waffe geeignet hätte. Doch ihr seid mit den Kerlen fertig geworden, als wären es ein paar räudige Hunde, die sich zwei gewaltigen Bären gegenübersahen!«
Justs Ausruf erinnerte Konrad an Rado, der noch immer im Wald unterwegs war. Wäre sein Freund bei ihnen gewesen, hätten die Waskonen es vielleicht nicht gewagt, sie anzugreifen.Nun fragte er sich, ob er bei seiner ersten Bewährungsprobe versagt hatte. Immerhin war er nicht hierhergeschickt worden, um Hirten zu erschlagen. Er starrte auf den Waskonen, den seine Klinge getötet hatte, und hätte als Krieger eigentlich stolz darauf sein müssen. Stattdessen fühlte er einen Eisklumpen im Magen. Es war der erste Tote auf seinem Weg, und mit dieser Tat hatte er nicht viel Ehre eingelegt.
Das Stöhnen und Schreien der verwundeten Waskonen zerrte an seinen Nerven. Der Gedanke, sie zu töten, damit endlich Stille herrschte, schoss ihm durch den Kopf. Aber er schrak davor zurück und wandte sich Unai zu. »Du Hund wolltest uns in eine Falle locken!«
»Nein, das wollte ich nicht! Die Hirten sind schuld. Ich …« Unai wagte es nicht, laut zu sprechen, da Maites Spieß die Haut auf seinem Adamsapfel ritzte, wenn er diesen bewegte.
»Du gehörst aber mit zu denen, die Ermengilda und ihre Leute überfallen haben«, setzte Konrad das Verhör fort.
Unai verneinte erneut. »Das war ich nicht, bei meiner Seele!«
»Die jetzt schnellstens zur Hölle fährt«, höhnte Maite.
»Maite war die Anführerin«, schrie er auf.
Konrad hatte zwar nicht verstanden, was die Waskonin gesagt hatte, doch als Unai sie als die Hauptschuldige für den Überfall nannte, blickte er sie zum ersten Mal richtig an. Sie war ein wenig kleiner als er, kräftiger gebaut als Ermengilda und so muskulös, wie ein Mädchen sein konnte, das gewohnt war, hart zu arbeiten. Ihr Gesicht erschien ihm ein wenig zu rundlich und wirkte verbissen. Aber dennoch war sie recht hübsch, auch wenn sie neben der Schönheit der asturischen Prinzessin verblasste. Zudem verriet die Art, wie sie mit dem Spieß umging, dass sie Übung in kriegerischen Auseinandersetzungen besaß. Daher traute er ihr durchaus zu, eine Horde von Bergwilden anzuführen.
»Wer ist das Mädchen?«, fragte er Unai.
Dieser merkte, dass der Franke ihm nicht direkt ans Leben wollte, und hob die Hand, um anzuzeigen, dass Maite den Spieß wegnehmen sollte.
»Sie ist die Tochter des Häuptlings Iker von Askaiz, der sowohl in Araba wie auch in Nafarroa Anhänger hatte. Er war ein großer Anführer, musst du wissen. Wäre er nicht von Graf Roderich im Kampf erschlagen worden, hätte Eneko in ihm einen harten Widersacher im Kampf um die Macht in diesem Land gefunden.«
»Die Tochter eines großen Anführers?« Konrads Achtung vor Maite stieg, obwohl Ermengildas Entführung nicht gerade für sie sprach.
Maite begriff, dass man über sie sprach, und versetzte Unai einen Fußtritt. »Was redet ihr da?«
»Der Franke wollte wissen, wer du bist. Ich habe es ihm gesagt.«
Maite war es unangenehm, auf den Mund eines anderen angewiesen zu sein, wenn es um so wichtige Dinge wie Ermengilda und deren Freilassung ging. Ihr Spieß ritzte die Haut über Unais Kehle, so dass ein dünner Blutfaden an seinem Hals hinablief.
»Versuche nicht, mich noch einmal zu betrügen, sonst bist du ein toter Mann.«
Unai las an ihren Augen, wie ernst es ihr mit dieser Warnung war. Trotzdem war er bereit zu lügen. Immerhin ging es um seinen Hals. Die Franken hatten die Hirten seines Stammes niedergemacht, und er musste befürchten, dass sie auch ihn noch erschlagen würden. Überdies war ihm klar, dass er nach diesem Tag nicht mehr zu seinen Leuten zurückkehren konnte.
Weitere Kostenlose Bücher