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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Aufsehern, vom Chauffeur über die Stallburschen und den Nachtwächter bis zu den Gärtnern.
    »Dann sind Sie der Enkel des ostfriesischen Teegroßhändlers«, nahm Kathryn das Gespräch wieder auf.
    Sie hatte schon gehört, dass der junge ter Fehn ein Jahr lang in London in einem Teekontor gearbeitet hatte, um sich auf die Übernahme der angesehenen deutschen Teefirma vorzubereiten. Etwa zur gleichen Zeit hatte sein Freund Carl Jonas in einer bekannten, auf Rhododendren spezialisierten Baumschule nahe London hospitiert. Er war es, der unbedingt die Exkursion durch Sikkim unternehmen wollte, um dort noch unbekannte Rhododendronwildarten für neue Züchtungen zu entdecken. Und Gustav wollte ihn begleiten – aus Abenteuerlust, wie er in den Briefen vorab mitgeteilt hatte, aber sie würden auch die besten Teeplantagen Nordindiens aufsuchen.
    Gustav ter Fehn ist demnach unser Hauptansprechpartner, überlegte Kathryn, geschäftlich betrachtet. Denn er plante, das Sortiment der Marke »ter-Fehn-Tee« über die traditionellen ostfriesischen Mischungen hinaus mit exklusiven, feinen Teesorten im Versandhandel zu bereichern.
    »Ja, Miss Whitewater. Und ich hätte nie erwartet, hier eine so charmante junge Dame zu treffen.«
    Kathryn errötete.
    »Sie haben aber einen kräftigen Sonnenbrand«, sagte sie, um von ihrer Verlegenheit abzulenken.
    Carl, der vor ihr ging, drehte sich um. Er schien sie zu durchschauen und zwinkerte ihr zu.
    »Nicht der Rede wert«, erwiderte Gustav, obwohl sich die Haut an Stirn und Nase ganz ordentlich pellte.
    Carl blieb jetzt stehen und bestaunte das Bergpanorama. Weißgraue Wolken zogen über den blauen Himmel. Über die vorgelagerten Hügel ergoss sich das junge Grün der Teesträucher, in der Ferne säumten Baumgiganten den Besitz.
    »Das ist großartig!«, rief er aus. Dann blieb sein Blick an Kathryn hängen, an ihrem vollen Mund, den unverschämt roten Lippen. Die kräftigen Brauen gaben ihren grünen Augen Entschlossenheit – ein aparter Kontrast zum zarten Kinn, das Verletzlichkeit verriet. Der Teint war leicht gebräunt, die Wangen gerötet, im Haar tanzten goldene und kupferne Reflexe. »Einfach unglaublich!«
    Kathryn errötete erneut. In ihrem Kopf schwirrte es, sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Gut, dass ihr Vater schon ins Haus ging. Wie sollte sie nur auf diese geballte Charmeoffensive reagieren? Verlegen fuhr sie sich durch den Bubikopf.
    In diesem Augenblick gellte ein Schrei aus dem Dorf zu ihnen herüber. »Leopard! Der Schneeleopard!«
    Augenblicklich brach Panik aus. Die Frauen kreischten, griffen ihre Kinder und flüchteten in die Lagerhalle, wo noch Haufen frisch geernteter Teeblätter lagen und darauf warteten, auf die Trockengitter geschüttet zu werden. Die Männer rannten zum Dorf.
    »Was können wir tun?«
    Gustav zog eine Pistole aus einem Halfter an seiner Wade, Carl zückte ein scharfes Gärtnermesser, das er immer am Gürtel trug, um jederzeit Reiser von interessanten Pflanzen schneiden, aber natürlich auch, um sich im Notfall verteidigen zu können. Innerhalb von Sekunden waren beide kampfbereit.
    Aldous Whitewater raunzte: »Sie kennen sich hier nicht aus. Passen Sie auf meine Tochter auf!«
    Die Arbeiter griffen sich Knüppel, andere Waffen und Kochgeschirr, mit dem sie laut trommelnd in die Richtung stürmten, aus der tierische Schreie und Gejammer herüberdrang.
    Kathryn dachte nicht daran, sich im Haus zu verstecken. Auch sie lief ins Dorf, allerdings nicht in die gleiche Richtung wie die anderen, und Carl und Gustav blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterherzusprinten. Einige hundert Meter hinter dem nächsten Hügel lag die Ansiedlung, fast hundertfünfzig Hütten standen dort. Zielstrebig bewegte Kathryn sich auf einen kleinen, weiß gestrichenen Bungalow zu und stieß die Tür auf. Es war die Krankenstation. Sie bestand aus nur zwei Räumen. Mit geübten Griffen bereitete die Pflanzertochter alles für eine Notoperation vor. Auf ein Tischchen neben einer Behandlungsliege legte sie Desinfektionsmittel, Betäubungsspritze und Verbandszeug.
    Ein Schuss fiel, zwei weitere Schüsse knallten. Kathryn wies stumm mit dem Kopf auf eine Trage, die im Halbdunkel an der Wand lehnte. Sie hatte keine Angst, sie tat schlicht, was getan werden musste. Carl und Gustav griffen sich das Teil und liefen dem Gehör nach zwischen Blumen- und Gemüsegärtchen mit aufgescheuchten Hühnern und kleinen Schweinepferchen bis zum Rand des Dorfes. Kathryn folgte

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