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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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noch amüsant. Aber debütieren darf ein Mädchen nur, wenn schon die Mutter eine Saison mitgemacht hat – was ja bei mir nicht der Fall war –, oder wenn eine entsprechend qualifizierte Lady die junge Dame unter ihre Fittiche nimmt. Diese wichtige Aufgabe hat meine Schwägerin übernommen. Sie ist eine Komtess, selbst kinderlos. Und Annabella hat im Krieg die meiste Zeit bei ihr auf dem Lande verbracht.« Kathryn seufzte. »Ich habe Belle in diesen wichtigen Jahren leider vernachlässigt.«
    »Aber dann ist es auch nicht zwingend, dass du die nächsten Tage in London bist, oder?«
    Nachdenklich sah Kathryn ihn an. »Nein, meine Schwägerin geht ganz in ihrer Rolle auf. – Wann reist du zurück?«
    »Geplant war der 3. Juni. Aber jetzt …«
    Jetzt war alles anders, alles offen.

Cornwall
    Mai bis Juni 1951
    Bei Sonnenuntergang erreichten sie am folgenden Tag in Kathryns Jaguar die Steilküste von Cornwall. Carl hatte am Vormittag alles mit Bill Landsbury besprochen, der für ihn bis zum Ende der Flower Show Auskünfte erteilen, seine Rhododendren beaufsichtigen und anschließend in seiner Gärtnerei in Verwahrung nehmen würde. Kathryn hatte ihrer Familie mitgeteilt, dass sie ihre alte Jugendfreundin Samantha Cox besuchen wolle.
    »Sam ist nach dem Tod ihrer Mutter, noch vor dem Krieg, aus Darjeeling nach Kent gezogen. Du erinnerst dich doch an sie, oder?«
    »Natürlich. Indirekt haben wir’s ja wohl ihr zu verdanken, dass du der Expedition nach Sikkim gefolgt bist …«
    »Ja, und rate mal, wen sie bei uns auf Jersey kennengelernt und geheiratet hat?«
    »Um Gottes willen, wie soll ich das wissen?«
    »Den mittleren Sohn von Mrs Marya und Dr. Apple! Ist es nicht verrückt, wie klein die Welt ist? Titus hat in London Medizin studiert, und wir hatten die beiden neben vielen anderen Freunden und Bekannten während der Sommerferien nach Greenville Manor eingeladen.«
    »Was für ein Zufall! Und wieso lebt sie jetzt in Cornwall?«
    »Ach, die meisten Bomben in der Luftschlacht um England sind ja über Kent heruntergekommen … Gott, wenn ich daran denke …«
    »Lass uns ein paar Tage einfach nicht denken!«
    Der leicht hügeligen englischen Landschaft, durch die sie jetzt rollten, eingetaucht in orangerötliches Licht, sah man zum Glück keine Kriegsspuren an.
    Sam lebte mit ihrem Mann Dr. Titus Apple seit einigen Jahren hinter hohen Hecken in einem schwer zu findenden, verwunschenen Tudorhaus mit Reitstall. Inzwischen besuchte auch ihr Jüngster, wie seine Schwester und die zwei Brüder schon, ein Internat.
    »Es gibt ständig was zu reparieren«, klagte Samantha nach der überaus herzlichen Begrüßung, strahlte dabei aber so, dass bei ihren Gästen kein Mitleid aufkam. »Das Gästehäuschen ist auch noch nicht fertig. Aber ich hab gleich nach deinem Anruf durchgelüftet.«
    Sie ging voran durch einen Garten, der halb angelegt, halb verwildert war. Die letzten zehn Meter führte der Pfad durch einen üppig blühenden Goldregentunnel. Figuren aus geschnittenem Buchsbaum standen wie Wächter vor einem windschiefen Häuschen aus weiß getünchtem Stein.
    »Bitte schön!«, Samantha öffnete die rosenumrankte blaue Holztür. »Fühlt euch wie zu Hause.« Sie zwinkerte verschwörerisch. »Es gibt in einer Stunde bei uns in der Küche ein einfaches Abendessen. Hoffentlich kommt Titus heute etwas zeitiger als sonst aus dem Hospital. Diese verfluchte Spanische Grippe ebbt ja endlich ab …«
    Sam zeigte ihnen die beiden Räume: ein schlichtes, cremefarben gehaltenes Schlafzimmer mit einem Himmelbett und einer Kommode aus hellem Holz. Und ein Wohnzimmer mit Kamin, dessen grün gestrichene Wandregale bis obenhin mit Büchern gefüllt waren. Auf dem Steinfußboden lagen alte rötliche Tibet-Teppiche. Kathryn stellte ihre Tasche auf einem verblichenen Ohrensessel ab, um die Titel auf den Buchrücken besser studieren zu können.
    »Abteilung Kunst- und Medizingeschichte«, kommentierte Sam lachend. »Die meisten gehören Titus, er liest und sammelt … Ich weiß schon nicht mehr, wohin damit!«
    »Guck mal, Carl!« Auf den Aquarellen an der einzigen freien Wand erkannte Kathryn Darjeeling-Motive wieder. »Ach, wie schön!«
    Und ein Foto von Titus als Medizinstudent: lebendige dunkle Augen, dunkler Lockenkopf, charmantes Lächeln und frischer Elan. Daneben hingen Strohhüte und Lavendelkränze.
    »Manchmal lädt Titus hier zu Lesungen ein.«
    »Kein Wunder bei den Eltern«, grinste Kathryn, die sich gerne an die Soirees bei

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