Die Rose von Darjeeling - Roman
Gartenbank, die Arme um ihre Beine geschlungen, und sah ihm selig zu, wie er mit nacktem Oberkörper in Schweiß geriet. Sie fühlte sich wieder so jung wie damals in Darjeeling.
Sam verwöhnte die Liebenden wie ein unsichtbarer guter Geist. Zum Tee stellte sie ihnen Rosinen-Scones mit selbst gemachter Marmelade vor die Tür oder Siruptorte oder Karamelkuchen. Abends etwas Fasan, Gemüse, Kartoffelpüree oder Käse – je nachdem, womit sich Titus’ Patienten, die überwiegend in Naturalien bezahlten, an diesem Tag gerade bedankt hatten.
Nach und nach erzählten Carl und Kathryn sich auch von ihren Familien. Zeigten einander Fotos ihrer Kinder.
»Mein Sohn Charles. Er studiert Volkswirtschaft.« Ihr Herz klopfte heftiger. Würde Carl Verdacht schöpfen?
»Er sieht aus, wie dein Vater früher ausgesehen haben muss.«
»Das sagen alle.« Kathryn überlegte, ob sie Carl jetzt eröffnen sollte, dass Charles sein Sohn war.
Da bekannte er: »Meine älteste Tochter heißt auch nach meiner großen Liebe. Katharina, aber wir nennen sie Kathrin.«
»Oh … Was ist mit deinen Eltern?«
»Sie leben noch. Für ihr Alter geht’s ihnen gut. Aber der Krieg wirkt nach. Ich würde ihnen gerne mehr Komfort auf ihre alten Tage bieten können.«
»Hauptsache, du lebst. Sicher sind sie sehr glücklich über ihre Enkelkinder.«
Und sicher wäre es für sie alle ein Schock, wenn Carl eine andere Frau hätte … Ach, sie wollte doch nicht nachdenken!
»Komm, Carl, der Mond ist aufgegangen. Ich möchte mit dir ans Meer.«
Es war abnehmender Mond. Der Jasminduft aus Sams Garten begleitete sie ein Stück. Hand in Hand gingen sie auf von Büschen gesäumten Wegen zur Steilküste. Kathryn fragte sich wieder, wie glücklich sie wohl hätten werden können, wenn ihnen nicht das Leben dazwischengekommen wäre. Auch Carl konnte sich nicht länger gegen die Gedanken wehren.
»War es das wert, Kathryn?«
»Ich hatte es mir reiflich überlegt. Wenn ich mit dir nach Deutschland gegangen wäre, wäre Geestra Valley in die Zwangsversteigerung gekommen und ruiniert gewesen. Das hätte meinen Vater umgebracht. Definitiv. Ich hätte außerdem erfahren müssen, dass unsere Leute im Dorf hungern oder kriminell werden. Glaubst du wirklich, ich hätte dann noch fröhlich in der Baumschule Jonas Rhododendren verkaufen und unbeschwert leben können?«
»Und wenn ich damals in Geestra Valley geblieben wäre und kräftig mit angepackt hätte? Das habe ich mich oft gefragt, ob das etwas geändert hätte … Wolltest du mich damals nicht sogar darum bitten?«
»Vielleicht hab ich kurz daran gedacht«, erwiderte sie zögerlich. »Aber es hätte wohl kaum etwas daran geändert, dass uns kurzfristig einfach zu viel Geld fehlte. Es wäre trotzdem zur Zwangsversteigerung gekommen.«
»Manchmal gehen Objekte nicht gleich beim ersten Termin weg …«
»Ach … hätte, wäre, wenn … Es ist nun mal gelaufen, wie es gelaufen ist.«
»Lebt dein Vater noch?«
»Nein, zum Glück ist er gestorben, nachdem wir den Zweiten Weltkrieg gewonnen und bevor wir 1947 Britisch-Indien verloren haben, im Sommer 1946. Er hatte noch ein paar schöne Jahre. Mit Manjushree, seiner Geliebten. Zum Schluss lebten sie fast wie in einer normalen Ehe miteinander.«
»Schade, dass uns so etwas nicht vergönnt war …«
Im Mondlicht konnte er erkennen, wie sie lächelte, wehmütig und schelmisch zugleich. »Vielleicht war es so viel schöner.« So ideal wie er in ihren Tagträumen konnte in der Realität auf Dauer kein Mann sein.
»Ich hätte damals alles für dich getan. Ein Wort und …« In Gedanken setzte er hinzu: Ich würde immer noch alles für dich tun.
»Ja, vielleicht hättest du tatsächlich alles aufgegeben in Deutschland, aber glaubst du nicht, dass du nach einiger Zeit unzufrieden geworden wärst? Du ohne deine Baumschule? Ohne die Rhododendronzucht? Statt in deiner geliebten Tiefebene plötzlich zwischen Teesträuchern im Himalaya? Nein … das wollte ich dir nicht antun. Uns nicht …«
Carl runzelte die Stirn. »Das hast du damals alles schon bedacht?«
»Ich hab es mehr gefühlt. Ich weiß noch, dass ich am Grab meiner Mutter saß und mir vorstellte, wie es wäre, wenn ich mit dir ginge. Oder mit Alfred … Und wie sich die Dinge dann entwickeln würden. Ich weiß noch, wie unterschiedlich es sich anfühlte.«
»Was ist aus Geestra Valley geworden?«
»Alle Engländer haben ihre Teegärten verkaufen müssen, als Indien unabhängig wurde.«
»Dann
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