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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sterben?«
    »Der Schmuggelbalzer,« antwortete er einfach. Er konnte in der Dunkelheit die Wirkung nicht erkennen, welche diese Auskunft auf das Mädchen hervorbrachte; das Thor verriegelnd, fügte er hinzu:
    »Sag’ dem Vater, die Zeit ist wieder um. Gut’ Nacht, Selma!«
    »Gute Nacht!« erwiderte sie leise und stieg dann langsamen und zögernden Schrittes die Höhe hinab. Die Unterhaltung gab ihr viel zu denken, und die Nachricht, daß der Schmuggelbalzer sterben werde, hatte erschütternd auf sie gewirkt; sein Sohn war ihr Geliebter.
    Zu Hause angekommen, fand sie die Heimgenossen beim Abendbrode versammelt. Nur der Vater fehlte. Er saß in der Nebenstube am Schreibpulte, und darum wurde die Unterhaltung nur leise geführt; denn Jeder wußte, daß man den Herrn Ortsrichter bei der Arbeit nicht stören könne, ohne ihn in großen Zorn zu bringen. Und vor diesem Zorne hüteten sich Alle; der Richterbauer war ein gefürchteter Mann.
    Sie setzte sich mit an den Tisch.
    »Hast schon mit dem Ludewig gesprochen, Selma?« fragte eine der Mägde.
    »Nein. Er ist ja fast die ganze Woch’ nicht hier gewesen, weil er jetzt in der Gärtnerei gar viel zu schaffen hat.«
    »Er ist vorgestern droben beim Herrgottle gewesen.«
    »Beim Herrgottle? Woher weißt Du das, und was hat er dort gewollt?«
    »Das kann ich nicht sagen. Ich hab’ es von dem Meinigen, der ist ihm begegnet, und dann hat am Herrgottskreuzle fast eine ganze Stund’ lang die Latern’ gebrannt.«
    Das hochinteressante Thema wäre vielleicht weiter verfolgt worden, wenn sich nicht in diesem Augenblicke nach kurzem Klopfen die Thür geöffnet hätte. Eine alte Frau, welche sich auf zwei Krücken stützte, trat ein.
    »Ist der Richter daheim?« fragte sie nach dem üblichen Gruße.
    Da die Thür zum Nebenzimmer nur angelehnt war, so hatte der Genannte die laute Frage vernommen. Er erhob sich rasch von seinem Stuhle und trat näher. Auf seinem Angesichte war die Röthe des Zornes deutlich zu erkennen.
    »Das ist ja wieder die Botengustel! Habe ich Ihr denn nicht schon dreimal gesagt, daß Sie mir mit Ihrem Gelamentir’ vom Halse bleiben soll? Morgen ist der Termin, und wenn Sie die Steuer nicht schafft, so wird Sie ausgepfändet. Davon helfen Ihre schönen Wort’ Ihr nimmer los; hätt’ Sie Ihre Schnapsdreier gespart, so könnt’ Sie Ihrer Pflicht nachkommen. Marsch fort; ich hab’ mehr zu thun, als Ihr Geschrei anzuhören!«
    »Und doch wird der Herr Richterbauer anhören, was ich ihm zu sagen hab’; dafür ist er da, und dafür bekommt er seinen Lohn. Ich will Ihn gar nicht wieder mit Klag’ und Bitt’ belästigen; ich hab’ nun doch zur Genüg’ erfahren, daß dies bei Ihm nichts hilft. Und was die Schnapsdreier betrifft, die Er mir zum Vorwurf macht, so mach’ doch Er einmal in Sturm und Schnee, in Frost und Wetter den Botenweg über das Gebirg’ und sehe Er, ob Er es ohne den Tropfen fertig bringt, der den alten Leib erwärmt. Freilich, Wein kann ich nicht haben, von dem Seine Nas’ so schön zinnobrig geworden ist, auch ohne daß Er sie erfroren hat, wie ich die meinige!«
    »Was will Sie mir da sagen?« schnaubte der Richter sie an. »Soll ich Sie etwa einstecken lassen?«
    »Dazu hat Er die Gewalt, aber nicht das Recht. Wer mir den nothwendigen Trunk vorhält, der mich wöchentlich zwei Dreier gekostet hat, dem darf ich auch seinen Wein vorwerfen, der doch viel theurer ist. Aber ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihm zu zanken, sondern wegen den rückständigen Communabgaben. Hier ist das Geld!«
    »Ah,« lachte der Bauer, »sieht Sie, wie prächtig Sie bezahlen kann? Ich kenn’ schon meine Leut’. Das Pack hat nimmer eher Geld, als bis ihm das Messer an die Kehl’ gesetzt wird. Ich will Sie mit Ihrer Bitt’ an die Gemeind’ schon heimleuchten!«
    »Ja, das thut Er gern; das weiß das ganze Dorf! Aber wenn bei Ihm kein Erbarmen zu finden ist, so giebt’s noch Hilf’ beim lieben Gott. Er hat mir die Steuer geschickt und auch noch mehr dazu.«
    »Der liebe Gott? Das mach’ Sie doch nur mir nicht weiß! Sie hat Ihren Sparpfennig herausgeholt, so ist die Sach’!«
    »Den Sparpfennig hat die Krankheit schon seit lange aufgezehrt. Ich hab’ das Reißen bekommen und meine Verrichtung aufgeben müssen; die Noth ist dann gar bald eingetroffen, und als ich gar zum Krückzeug greifen mußt’, hat Er meine Bitt’ um Nachsicht abgelehnt, anstatt mich zu unterstützen, wie es doch Seine Pflicht gewesen wär’. Da hab’ ich mir einen Brief

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