Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
schreiben lassen, wo Alles d’rin gestanden hat, und ihn gestern Abend hinauf zum Herrgottle getragen; das Licht für seine Latern’ hab’ ich mir beim Krämer geborgt; in meiner Tasch’ war kein armer Heller mehr zu finden. Vorhin nun, vor wenig Augenblicken, klopft es an den Laden; ich raff’ mich empor, geh’ aus der Stub’ und schieb’ die Hausthür auf. Da hängt ein Leinwandbeutel an der Klink’, aber kein Mensch ist rings zu sehen. Ich frag’ und ruf’, aber es antwortet Niemand, und so geh’ ich wieder in die Stub’ zurück und brenn’ die Lamp’ an, um zu seh’n, was in dem Beutel ist. Was meint Ihr wohl, Ihr Leut’, was ich gefunden hab’? Dreißig Thaler sind’s gewesen, dreißig harte, blanke Thaler, und dabei hat ein Zettel gelegen, darauf stand geschrieben: ›Der Botengustel vom Herrgott geschickt.‹ Der Herrgottsengel hat mir das Geld gebracht, und so bin ich gleich herbeigelaufen, um die Steuern zu bezahlen, damit Er mir morgen mein armseliges bischen Hab und Gut nicht wegnimmt. Aber geb’ Er wohl Achtung, daß Er sich nicht auch noch einmal an das Herrgottle wenden muß! Es ist nicht aller Tage Abend, und Er ist ja auch erst nur ein armer Todtengräber gewesen und für ein paar Kreuzer auf den Schleichhandel gelaufen, ehe Ihn der Klapperbein zum reichen Richterbauer gemacht hat!«
Sie legte das bereits abgezählte Geld auf den Tisch. Der Richter fand vor Grimm über die muthige Rede der Frau keine Worte. Seine Augen sprühten Feuer; seine Hände ballten sich. Er machte Miene, sich auf die Botengustel zu stürzen, besann sich aber noch rechtzeitig, daß ihm aus einem Angriffe auf die gebrechliche Alte wohl wenig Ehre erwachsen werde. Sein Zorn mußte einen anderen Gegenstand haben, sich an ihm abzukühlen.
»Wer hat den Brief geschrieben?« fragte er. »Denn Sie ist doch zu dumm, sich so ein Schreiben selber aufzusetzen!«
»Ja, so klug und gescheit wie der Herr Richterbauer bin ich freilich nicht; aber der ihn geschrieben hat, bringt’s schon auch noch fertig. Des Schmuggelbalzers Ludewig ist’s gewesen.«
»Der –? So also lohnt er meine Lieb’ und Güt’, die ich ihm erwiesen hab’, dem Lodrian? Da werd’ ich bald ein Wort mit ihm reden, das ihm gewaltig in die Ohren klingen soll! Er wird genau erfahren, was es heißt, Euer Herrgottle gegen die Obrigkeit zu hetzen!«
Die Botenfrau hatte eine weitere scharfe Entgegnung auf den Lippen; sie konnte dieselbe nicht aussprechen, denn es klopfte rasch und scharf, und auf das grollende »Herein!« des Richters trat ein junger Mann in die Stube, dem eine ungewöhnliche Erregung anzusehen war. Der Hausherr ließ ihm keine Zeit zum Gruße.
»Da ist er ja gleich, der Botengustel ihr Geheimschreiber, der so schöne Bettelbrief’ an den Herrgottsengel fertig bringt! Kommst grad’ zur rechten Zeit, Bursch’, um zu hören, was solch’ eine Scriblifexerei einbringen kann!«
»Laßt mich jetzt geh’n, Herr Richter,« fiel der Angekommene schnell ein. »Der Vater ist am Sterben; es hat ihn über alle Maßen schnell gepackt, und er läßt Euch bitten, doch rasch zu ihm zu kommen. Er hat mit Euch zu sprechen!«
Er trat an den Tisch und reichte Selma die Hand. Der Zorn des Richters schien mit einem Male von ihm gewichen; es blitzte hell und freudig über sein Gesicht; doch nur für einen kurzen Moment. Im nächsten Augenblicke hatte seine Miene den Ausdruck der Teilnahme angenommen.
»Sterben will er?« rief er wie bestürzt. »Es wird wieder nur ein kurzer Ueberfall sein, den das Fieber macht. Die Zehrkrankheit hat so diese Mode.«
»Nein, es ist jetzt gewiß der richtige Ernst; der Tod steht ihm ganz deutlich im Gesicht. Bitt’, Herr Richter, macht rasch, sonst kommt Ihr zu spät!«
So hastig, wie er eingetreten war, ging er wieder fort. Die Sterbekunde war wie ein beruhigender Hauch über den Hader gegangen. Der Bauer schrieb in Eile eine Quittung für die Botenfrau, die sich schnell entfernte, und suchte dann angelegentlich in den Fächern seines Schreibepultes herum. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß die Thür zur Wohnstube verschlossen sei, zog er ein unausgefülltes Wechselsformular hervor. Es war kein gutes Auge, mit welchem er das Papier betrachtete, und die Laute, welche er murmelte, klangen scharf und entschlossen zwischen den Lippen hervor.
»Endlich, endlich ist es aus mit ihm! Der Gedank’, daß er mich verrathen werd’, hat mich gequält bei Tag und Nacht und mir wie ein Berg stets auf der Seel’
Weitere Kostenlose Bücher