Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
ihr getroff’n. Ich mußt’ mit ihm nach Haus’, und sie ist dann allein geblieb’n. Da drin in der Stub’ hat sie gewohnt, und da drin hat sie am andern Morg’n gestand’n und zu mir gesagt, daß sie gehe und niemals wiederkommen werd’. Ich hab’ gebet’n und gefleht, aber es hat nix geholf’n. Sie ist so verstört gewes’n; ich hab’ gedacht, von weg’n dem Vater; aber als ich nachher hört’, was mit Deinem Bruder geschehen ist, so hab’ ich gleich gewußt, daß zwisch’n ihnen irgend ‘was vorgefall’n sein muß.«
»Und das soll wahr sein, Friedemann?«
»Ja, es ist so, Wort für Wort!«
Diese Betheuerung kam nicht aus dem Munde Haubold’s. Die beiden Männer blickten erstaunt nach der Ecke, in welche sich Marie zurückgezogen hatte. Sie war die Sprecherin gewesen.
»Wie kommst Du zu dieser Red’?« fragte der Tannenbauer. »An Dich war damals noch gar net zu denk’n!«
»Und doch war ich dabei und waaß ganz genau, wie’s hergegangen ist. Ich hab’s bisher net über mich vermocht, aber weil Ihr in dieser Weis’ zusammen seid, so will ich sprech’n!«
»Was kannst’ zu sagen hab’n?« klang es gespannt aus dem Munde Haubold’s.
»Die Martha hat Dich lieber gehabt noch als ihr Leb’n und konnt’ nix dafür, daß sie bloß Schauspielerin und net aane reiche Bauerstochter war. Darum ist ihr so weh geword’n, als Dein Vater die hart’n Worte sprach und Dich von ihrer Seite riß. Sie ist allein hinauf zur Kanzel gestieg’n, hat sich an die Brüstung gelehnt und dabei gedacht, ob es net besser sei, hinabzuspringen in die schwarze Tief’. Da plötzlich ist der rothe David, der Heinemann, bei ihr gestand’n und hat den Arm um sie gelegt. Er ist gar schlimm gewes’n, hab’ erst viel gute Wort’ gegeb’n, und als das nix geholf’n hat, so ist er wild geword’n und hat gedroht, sie in den Bruch zu stoß’n, wenn sie von Dir net lassen will. Dann hab’n sie mit’nander gerungen, und dabei ist er ausgeglitt’n und hinabgefall’n. Sie hat nix dafür gekonnt, aber es ist ihr grad gewes’n, als ob sie die Mörd’rin sei, und das hat ihr net Ruh’ gelass’n und sie aus dem Dorf’ und von Dir fortgetrieb’n.«
Haubold athmete in schnellen und tiefen Zügen. Sie nannte ihn »Du«, was noch niemals vorgekommen war; sie wußte den Hergang so genau; er dachte an die Aehnlichkeit der Augen, an die ungewöhnliche Aufmerksamkeit, welche sie stets für ihn gezeigt, an die selbstlose und aufopfernde Thätigkeit, die sie seinem Hauswesen so unausgesetzt gewidmet hatte, und stieß die hastige Frage hervor:
»Du warst mit dabei? Sprich, wie ist das möglich!«
Sie zögerte mit der Antwort.
»So sag’, was aus der Martha dann geword’n ist! Du kannst’s net mehr verschweig’n. Ich fleh’ Dich an, sprich alleweil’ die Wahrheit!«
»Nun wohl, Du sollst es hör’n, doch mußt Du mir versprech’n, mir net bös und zornig zu werd’n! Es wär’ niemals aan Wort davon über meine Lipp’n gekommen, aber heut’ war es nothwendig, dem Wies’nbauer zu beweis’n, daß Du net der Mörder bist!«
»Ich zürn’ Dir net. Erzähl’ und säum’ net lange!«
»Sie ist weit fortgegangen zu aaner Trupp’, die net in diese Gegend kommen konnt’. Die Sehnsucht nach Dir hat sie nimmer verlassen woll’n, aber Dein Vater hat sie net leiden mög’n, und auch wenn er nix geg’n sie gehabt hätt’, als Mörd’rin konnt’ sie doch niemals Tannenbäurin werd’n. Sie hat sich viel nach Dir erkundigt und auch gehört, daß Du net Arzt geword’n, sondern zu Haus’ geblieb’n bist, weil Dir nun Alles gleich gegolt’n hat. Da ist ihre Gesellschaft wohin ‘kommen, wo die Pocken ausgebroch’n sind; sie hat die Krankheit auch bekommen und darnach so ausgesehen, daß sie gar net mehr zu erkennen war. Das hat sie aber net geschmerzt, sondern ist ihr lieb gewes’n; denn nun ist es möglich ‘worden, Dich wieder zu seh’n. Zuerst hat sie sich als Magd verdingt, um die Wirthschaft zu lernen, und dann –«
»Dann,« rief der Tannenbauer trotz seines leidenden Zustandes in lautem Jubel, »dann bist Du zu mir gezog’n, hast mich gepflegt und auf den Händ’n getrag’n, hast mich vom Tiefsinn geheilt und mir den Muth zum Leb’n zurückgebracht. Und ich hab’ Dich net erkannt, hab’ net ‘mal d’ran gedacht, in dem Papier, das jetzt wohl noch beim Richter liegt, nach Deinem vollen Nam’n zu schau’n! Martha, komm, geh’ her! Das Herz möcht’ mir vor großer Freud’
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