Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Cass’ von der Commun’!«
»Die ist auch leer.«
»So gieb mir eine Verschreibung; aber gut muß sie sein, und auf bald muß sie lauten. Wenn ich meine Seel’ verkauf’, so soll es nur dem Ludewig zu Gut’ kommen.«
»Es ist zu viel. Tausend will ich schreiben!«
»Hör’, was ich sag’; es gilt! Ich kann nicht länger dauern; die Red’ nimmt mir die Kraft; der Gedank’ wird mir ganz schwach, und ich weiß schon kaum mehr, was ich sprech’. Ich hab’ keine Zeit mehr übrig. Schreib’ zweitausend, oder ich schick’ nach dem Pfarrer!«
»Nun gut! Hast Papier?«
»Nein. Ich weiß, daß Du in Deiner Tasch’ stets welches trägst. Aber Tint’ und Feder find’st auf dem Ofensimmes.«
Schubert nahm das Bezeichnete herab und zog die Brieftasche hervor. Mit Absicht ließ er dem Kranken die leere Seite des Formulars sehen.
»Ich hab’ auch immer Papier bei mir; das Amt erfordert es so. Heut’ aber ist mir’s grad’ ausgegangen.«
»Sei still, Frieder; denn mich vermagst nicht zu betrügen. Dort hast ja welches in der Hand!«
»Das kann ich nicht nehmen.«
»Warum?«
»Es ist ein Wechselbrief auf Sicht; das wär’ mir zu gefährlich!«
»Ein Wechselbrief? Von dem hab’ ich gehört; der ist mir lieber, als jeder andre Urkundenschein; denn da bekommst Du die Pfändung gleich, wenn Du die Zahlung verweigerst. Was ist auf Sicht?«
»Da wird kein Tag geschrieben, sondern ich muß zahlen zu jeder Zeit, sobald der Brief mir vorgezeigt wird.«
»Das ist mir noch lieber; so will ich’s haben. Mach’ das Papier fertig!«
»Ich werd’ ein andres holen!«
»Nein. Schreib’, oder ich schick’ fort!«
»Ich kann nicht, denn Du willst mich nur ins Unglück stürzen. Wenn ich heut’ den Schein ausstell’, so kommst’ schon morgen oder übermorgen, und bis dahin hab’ ich das Geld noch nicht beisammen.«
»Willst mich schon wieder betrügen? Ich werd’ nicht kommen, auf mich darfst Du ihn nicht schreiben; denn ein Todter kann Dir den Brief nicht vorzeigen. Du schreibst ihn auf den Ludewig!«
»Dann wird er unsern ganzen Handel erfahren; denn er muß dann auf das Papier setzen, daß er den Wechselbrief als Geld von mir annimmt.«
»Er wird nichts erfahren. Schreib’ schnell; ich wart’ keine Minut’ mehr länger!«
»Du bist ein wahrer Drach’, Balzer. Verrathen darfst mich nicht; lieber will ich mich pfänden lassen, wenn der Ludewig das Geld zu früh von mir fordert! Aber hast auch mein Papier? Ich geb’ den Wechsel nicht eher aus der Hand, bis ich’s zurück hab’.«
»Schau her. Hier ist’s!«
Der einstige Schmuggler griff unter die Decke und nahm einen zusammengebrochenen Bogen hervor, den er dem Richter zeigte. Dieser nickte befriedigt und langte nach der Feder. Das schon halb gebrochene Auge des Sterbenden verfolgte fast angstvoll die langsamen Bewegungen des Schreibenden.
»Mach’ schnell, Frieder; das Herz wird mir schon kalt!«
»Ich bin fertig. Soll ich den Ludewig rufen?«
»Lies mir erst vor!«
Schubert that es.
»Zeig’ her; ich will’s auch seh’n!«
»So schau! Hier steh’n zweitausend Thaler, erst in Zahlen und dann auch sogar in Worten, damit Du ganz sicher bist. Und hier ist auch mein Nam’ hereingeschrieben; den kann ich nicht wegleugnen, und Niemand vermag ihn herauszukratzen.«
»Ja, ich seh’ es; der Wechselbrief ist richtig. Ruf’ mir den Bursch’ herein!«
Ludwig hatte sich in der Nähe gehalten; er war schnell bei der Hand.
»Tritt näher!« gebot sein todesmatter Vater. »Ich werd’ Dir nachher Alles erklären, jetzt bin ich zu schwach dazu; aber ich hab’ mir nach und nach ein Geld zurückgelegt und es dem Schubertfrieder zum Aufheben gegeben. Ich dacht’ nicht, daß es so bald mit mir zu End’ gehen werd’, und wollt’ Dir eine Zugab’ zusammenhalten, wenn Du einmal eine Frau nimmst. Ich hab’ bisher keine Quittung verlangt; nun es jedoch so mit mir steht, hat Dir der Frieder einen Wechselbrief geschrieben, damit Du Dir die Ersparung holen kannst, sobald Du ihrer bedarfst. Schreib’ Deinen Namen hin; der meinige ist nichts mehr nütze, und Du bist der Erbe!«
»Vater,« rief der junge Mann, kämpfend zwischen Schmerz und Freude, »ich wollt’ lieber, Du wärst –«
»Laß jetzt, laß! Die Sach’ muß schnell geh’n; ich muß schlafen und kann das Aug’ kaum länger offen halten. Schreib’, sonst gilt es nichts!«
»Darf ich den Brief erst lesen? Ich hab’ noch keinen gesehen.«
»Schau her!« meinte der Richter.
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