Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
übernatürlichen Erscheinungen; es war zuweilen ein reges nächtliches Treiben um das Zechenhäuschen zu bemerken, welches man den Gnomen und den Berggeistern zuschrieb, während die Schmuggler und Wildschützen über diese phantastische Annahme sich heimlich lustig machten. Jetzt freilich standen die Dinge anders. Die Zollwächter und Forstbeamten waren dem Spuke gründlich auf die Spur gekommen, und seit Bertha, die einstige Todtengräberstochter, in dem Schachte einen grauenhaften Tod gefunden und ihr Vater darum das Herrgottle auf der Halde errichtet hatte, war diese ein heiliger Ort, an welchem schon mancher Trost-und Hilfsbedürftige auf den Knieen gelegen hatte und vom Herrgottsengel mit Erhörung seines Gebetes beglückt worden war.
Die Botengustel hatte dies gestern Abend an sich selbst erfahren. Sie war voll Dankes über die Rettung aus dringender Noth und arbeitete sich mit den Krücken an der Höhe des Berges empor, um heute dem geheimnißvollen Helfer ein kleines Zeichen ihrer Erkenntlichkeit darzubringen. Die Lehne, an welcher sich der Bergpfad emporzog, gehörte zum Richterhofe, und Selma war eben hier beschäftigt, dürre Streu zusammenzuharken.
»Grüß’ Gott, Jungfer Selma!« grüßte die Alte. »Bist auch hier außen?«
»Freilich bin ich da, Gustel. Die Küh’ wollen immer trockenen Unterstand; das Stroh ist gar hoch im Werth, und so muß man seh’n, wie es billiger zu erlangen ist. Bist gut nach Haus’ gekommen gestern?«
»Ganz schön. Ich wohn’ ja bei Schmuggelbalzers, und da ist der Weg nicht weit, fast nur bis über die Straß’ herüber. Weißt’ schon, daß der Balzer gestorben ist?«
»Ich hab’s schon gleich heut’ in der Früh’ vernommen.«
»So hat es Dir wohl der Ludewig gesagt?«
»Nein. Er ist seit gestern noch nicht wieder bei uns gewesen. Der Tod des Vaters ist ihm sicher aufs Gemüth gefallen!«
»Das ist auch gar nicht zu verwundern! Ich hab’ die Leich’ geseh’n. Sie hat ein gar schreckhaftes Gesicht gemacht, grad’ so, als ob zuletzt Der beim Balzer gewesen wär’, vor dem man drei Kreuz’ zu schlagen hat. Der Ludewig und die Mutter haben ihn gar nicht sterben seh’n; Dein Vater ist allein bei ihm gestanden.«
»Hast nichts davon gehört, was sie verhandelt haben?«
»Nein. Aber was Gut’s kann’s nicht gewesen sein; denn neben den Jammer um den Todten hat es noch eine Angst gegeben, die sie gern verbergen wollten; ich aber hab’ sie doch bemerkt. Sie sind viel heimlich beisammen gesessen, und dann hat der Ludewig sich angezogen und ist zur Stadt gegangen.«
»Ist er wieder zurück?«
»Nein. Dein Vater ist – na, Du bist sein Kind, und d’rum will ich schweigen. Aber vielleicht hat er dem Ludewig einen bösen Faden angesponnen; er war gar bös auf ihn, daß er mir den Brief an den Herrgottsengel geschrieben hatte. Du weißt’s ja auch; Du warst mit dabei. Jetzt aber will ich den Dank hinaufbringen zum Kreuze; dem Engel wird er nicht viel nützen, doch sicher Anderen, die den Herrgott brauchen.«
»Was ist’s?«
»Da schau her: eine Kerz’ und noch eine und auch ein wenig Papier und Tint’ für den Engel, wenn er so immer Brief’ zu schreiben hat, wie bei mir.«
»Wer mag’s wohl sein? – ein Mensch, der sicher recht fromm und heilig ist und reich dazu, oder ein wirklicher Engel?«
»Wer weiß! Ich zerbrech’ mir nicht den Kopf darüber; es hat auch Anderen, die klüger sind als ich, nicht gelingen wollen, ihn zu entdecken. Sie haben sich auf die Lauer gelegt viele Nächt’ hindurch, aber umsonst. Und dem Vetterbauersfranz ist’s gar noch schlimm ergangen.«
»Wieso?«
»Da warst Du noch ein Kind und hast vielleicht gar nichts davon gehört. Er war ein loser Bub’ und hat einmal in der Schenk’ geschworen, er werd’ den Herrgottsengel fangen. Dann hat er gewartet, bis Licht in der Lanterne gewesen ist, und hat den Brief herausgenommen. Da aber ist ein Schlag über ihn gekommen, daß er mehrere Tage lang für todt gelegen hat; das Herrgottle läßt sich nicht verspotten, so steht’s auch in der Bibel. Nachher hat einmal Dein Vater den Knecht hinausgeschickt, er soll die Laterne wegnehmen und nach Haus’ bringen. Der hat’s auch gethan; aber auf dem Heimweg ist ein fürchterlicher Ries’ über ihn hergefallen und hat ihn so zerschlagen, daß er beinah’ gar nimmer wieder aufgekommen wär’. Von Deinem Vater war es schon ganz und gar nicht recht, das Herrgottle anzugreifen; es ist ja für die Bertha errichtet, die
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