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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Larv’ erklingt und auch ganz nach Verstellung lautet, aber noch heut’ kann ich mir net sag’n, wo ich sie schon ‘mal vernommen hab’. Ich hör’ ein Geräusch, als werd’ ein Gewehr gelad’n, und dann nimmt man mir die Bind’ vom Aug’ hinweg. Ich blick’ auf, aber da blitzt und kracht es grad vor meinem Gesicht los und ich brech’ zusammen wie vom Blitz erschlag’n. Der Lauf war nur mit Pulver gelad’n; schau her, ich hab’ ein gut Theil davon noch heut im Aug’ und im Gesicht! Das Weit’re kannst Dir denk’n! Der Schmerz, den ich hab’, wird verlacht und verhöhnt; man faßt mich an, schleppt mich empor und schafft mich in das Dorf, wo ich endlich mit Gewalt die Fesseln herunter bring’ und dann auch den Knebel fortnehm’. Der Wächter kommt herbei und führt mich nach Haus’. – Das ist die Geschicht’, Frieder; das Andre will ich net erzähl’n. Aber wenn ich schlaf’n geh und wenn ich erwach’, so ist mein einzig Gebet, daß der liebe Gott die Gnad’ und Barmherzigkeit haben mög’, den Waldkönig mir in die Hand zu führ’n. Das Gewehr taugt nix mehr in meiner Hand, aber diese Hand, Frieder, diese Hand, wenn sie ihn erst ergriff’n hat, sie läßt net wieder los, er mag sich wind’n wie eine Schlang’ und krümmen wie ein Wurm, sie hält ihn fest und malmt ihn zusammen wie Papier, das man zerknillt und dann zur Erde wirft! Das ist mein Gebet, mein höchster Wunsch. Der Waldkönig ist mein Gedanke am Tag’ und mein Traum bei Nacht; jeder Biss’n, den ich genieß’, und jeder Schluck, den ich trink’, schmeckt nach ihm, jeder Laut, den ich vernehm’, mahnt mich an ihn, ich hab’ weder Ruh noch Rast und vermag net zu sterb’n, eh’ ich weiß, daß er den Lohn bekommen hat!«
    Trotzdem der Wagen in raschem Trabe auf der Straße dahinrollte, hatte er sich in demselben erhoben. Er streckte die muskulösen Arme aus, als könne er den Todfeind jetzt mit ihnen erfassen; die Faust öffnete und ballte sich abwechselnd, ein sprechendes Bild der Zermalmung, von welcher er gesprochen hatte; seine Zähne mahlten hörbar aneinander; ihr Elfenbein blickte drohend zwischen den grimmig sich spaltenden Lippen hervor, und die Augen strebten starr aus ihren Höhlen, als wolle die leidenschaftlich angeregte Kraft des unverletzten Sehnerven den geblendeten Augapfel durchdringen, um auszublicken nach dem geheimnißvollen Dämon, der so viel Unglück verschuldet, so unversöhnlichem Hasse das Dasein und – vielleicht auch die Berechtigung gegeben hatte.
    Frieder war in die Ecke zurückgesunken. Seine Glieder wurden nicht wie diejenigen des Vaters bewegt von der gewaltigen Gährung, welche auch in seinem Innern herrschte. Aber in seinen Augen glühte es wie ein eingeschlossener Brand, welcher nur der geringsten Oeffnung bedarf, um vernichtend emporzulohen, und seine Lippen preßten sich zusammen unter dem Bestreben, diese Flamme zurückzuhalten und hinabzuringen in die Tiefe, wo er die glühenden Wasser kochen fühlte, wie in einem Vulkane, über dessen Krater eine purpurne Aureole schwebt zum Zeichen, daß das Verderben in ihm wohne.
    Dem Knechte war kein einziges Wort der Unterhaltung entgangen. Dem guten Menschen stand das Wasser in den Augen. Er wußte, was sein Herr gelitten hatte und heut noch litt; das griff ihm in das treue Herz hinein, und wie sehr er sich räusperte, wie oft er sich auch mit dem Aermel über das Gesicht fuhr, die Tropfen erneuten sich immer wieder, so daß er endlich, zwischen Aerger und Beschämung kämpfend, auf die Braunen einhieb, daß sie förmlich auf der Straße dahinflogen. An einer Stelle, wo ein Vizinalweg von der Seite her in die Chaussee mündete, drehte er sich um.
    »Grad aus oder links?«
    »Fahr links ab. Wir kommen näher!« antwortete der Bauer, obgleich er den Weg nicht zu sehen vermochte. Er wußte, daß er gemeint sei und war ihn früher selbst stets gefahren, um einen guten Bruchtheil Zeit abzuschneiden.
    So ging es weiter. Der Wald lichtete sich zur offenen Haide, zwischen welcher das Geleis schmal und holperig dahinführte, und schon senkte sich der Weg bergab zum Dorfe, als Baldrian sich nochmals nach rückwärts wandte.
    »Dort kommt Einer geritt’n. Es muß der Feldbauer sein!« Er war gewohnt, dem Blinden jede Begegnung zu melden, damit dieser die Begrüßung nicht verfehle.
    Der Reiter, welchen er meinte, kam ihnen in scharfem Trabe entgegen. Es war eine breite, nicht zu hohe aber massive Gestalt, an welcher der nicht mehr zu junge

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