Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mich den Goliath; wie aber wird man Dich heiß’n, Knirps?« Trotz der nichts weniger als lustigen Stimmung des Augenblickes zuckte ein heiteres Lächeln um das Bärtchen, welches die Lippen Frieders beschattete.
    »Fünf Jahr’, hast’s gehört, Vater, fünf volle Jahr’ war ich net daheim! Denkst net, daß ich in dieser Zeit ein wenig gewachs’n bin?«
    »Ein wenig, ja. Aber der ächte Bachbauer wirst nie sein; der Bücherwurm hat Dir die Kraft verzehrt und die Courasch’ dazu.«
    »So werd’ ich wieder stark zu Haus’; denn nun der Franz todt ist, nehm ich die Arbeit über mich. Der Bachhof steht mir höher als die Gelehrsamkeit, es ist ja meine Heimath, und die hält man hoch.«
    »Frieder,« rief der Bauer, »so hör’ ichs gern, und Niemand wird sich mehr darüber freu’n, als wie die Mutter! Du sollst das Aug’ werd’n, mit dem ich schau und wirst auch die Hand sein, mit der ich schaff’ und arbeit’. Hab Dank für dieses Wort!«
    Ein kräftiger Händedruck, der jeden Andern zu einem Laut des Schmerzes veranlaßt hätte, besiegelte diesen Bund; dann fuhr der Vater fort:
    »Es ist nachher für mich eine gar regsame Zeit gewes’n. Bei Tag hab’ ich im Hof und auf dem Feld geschafft, und bei Nacht bin ich hinaus in den Wald gegangen, den Haß im Herz’n und die Büchs’ auf der Schulter. Ich hab’ gehorcht und gelauscht vom Abend bis zum Morg’n und nix gesehn und nix erfahr’n, als daß die Nachbarn all’ die Rach’ gekannt hab’n, die in mir kochte Tag und Nacht. Nur einer hat kein Mitleid mit mir gehabt, sondern über mich gelacht und gespottet, der Feldbauer, der mein Rival gewes’n ist von Jugend auf. Er trägt es mir noch heut’ nach, daß die Mutter mich genommen hat und net ihn, und wo er es nur kann, da fügt er mir Verdruß und Kränkschaft bei. Die erste Frau hat er ins Grab geärgert, und die Zweit’, die er als Wittwe bekommen hat, wird wohl das gleiche Loos erleiden müss’n. Mich dauert nur das arme Kind, die Martha, die er so stief behandelt, weil er der Stiefvater ist, und dennoch ist sie das schönst’ und gutest’ Madel weit und breit. Sie ist trotz der Feindschaft ihres Vaters ‘kommen und hat der Mutter bei der Pfleg’ geholf’n, als ich unter Schmerz und Qual darniederlag. Das werd’ ich ihr nimmer vergess’n, so lang ich lebend bin, denn ihr Wort und Trost war grad so mild und lind wie die Hand, mit der sie mir das Aug’ verbund’n hat. Und ich hab’ ihn gebraucht, den Zuspruch und den Trost, denn es war, als hätt’ die Höll’ in mir gebrodelt und gekocht, viel schlimmer noch als damals, als ich das Gelübd’ am Grabe that.«
    Er holte tief Athem. Die Erinnerung stürmte auf ihn ein, und es dauerte lange, ehe er wieder ruhiger zu erzählen vermochte.
    »Es war in einer Mondnacht, beinah’ so hell wie der Tag, als ich drunten auf der Halde saß, wo sie vor langer Zeit den alt’n Stollen zugeschüttet hab’n. Da knackt es im Gebüsch, und als ich aufschau, steht einer vor mir, breit und stark wie der Herkules, bewaffnet bis an die Zähn’ und mit einer Larv’ vor dem Gesicht.«
    »Der Waldkönig!« ruf’ ich und spring empor, um die Büchs’ anzuleg’n. Der aber sagt kein Wort, sondern schnellt zurück, legt den Finger an den Mund und pfeift. Ich will grad losdrück’n, doch in demselben Aug’nblick werd’ ich von hint’n und von der Seit’ gefaßt und zu Boden geriss’n. Sie sind über mir wie die Wölf’ um das einz’ge Roß; ich schlag um mich, so viel ich kann, schüttle sie ab und spring empor, werd’ wieder niedergeworf’n, und so geht der Kampf wohl zehn Minuten fort, bis ich endlich ermüdet bin und gefesselt werde. Es sind wohl an die zwanzig Mann, jeder mit der Mask’ vor dem Gesicht. Ein Tuch wird mir um die Aug’n gelegt, und ein Knebel mit Gewalt in den Mund gesteckt, dann geht es fort, wohin, das weiß ich net. Halb getrag’n, halb gestoß’n und geschob’n werd’ ich über eine halbe Stund weiter gezerrt, bis es wie Strauch und Dornzeug raschelt und ich eine Trepp’ hinuntersteig’n muß. Dort ist’s feucht und kalt; ich werd’ zu Boden gelegt; und dann beginnt mit leiser Stimm’ die Verhandlung über mich. Ich hör’ nix als das letzte Wort davon:
    »Es ist genug, daß der Franz die Kugel bekam. Der Tod ist net so schlimm als wie das Andre und gibt auch keine größere Sicherheit. Er soll den Waldkönig net fangen, dafür wird gesorgt!«
    »Die Stimm’ kommt mir bekannt vor, obgleich sie unter der

Weitere Kostenlose Bücher