Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
müßt’n sie All’ am Stricke hangen. Aber thu’ mir doch den Gefall’n und sprich net so vornehm wie bisher, sondern red die Sprach’, die wir daheim sprech’n, sonst kommst mir fremd vor und ich weiß net, ob Du auch wirklich der Frieder bist! – Also grad wie damals mit dem Grenzmeister ist’s auch jetzt mit dem Waldkönig, nur daß dieser noch viel schlimmer ist als jener. Was jetzt in einer Woch’ über die Grenz’ geschafft wird, das ist sonst in vielen Jahr’n net hinüber und herüberkommen, und das Wild ist beinahe ganz ausgestorb’n, weil der Waldkönig es hinwegputzt, grad wie der Bauer die Flieg’n. Ganz große Schmuggelzüg’ gehn hin und her, die Leut’ sind bewaffnet bis an die Zähn’; der Grenzer, der es wagt, mit ihnen anzubind’n, ist verlor’n, und wer ihnen unglücklicher Weis’ begegnet, wird unschädlich gemacht, wie und womit, das sieh’st Du an mir.«
»Schrecklich! Und die Obrigkeit, Vater?«
»Die Obrigkeit? Die ist ganz gut und giebt sich alle Müh’, aber vergebens. Hat sie mir das Aug’ beschützt? Kann sie mir das Licht zurückgeb’n in der Finsterheit, die mich umgibt, wie das weite Meer den Mann, der am Strohhalm hängt? Wo soll man den König suchen und wie kann man ihn greifen und pack’n? Niemand weiß, wer er ist und wo er wohnt, er ist nirgends und doch überall, und seine Leut’ sind ihm unterthan und gehorsam auf’s Wort und auf den Wink. Die Förster und die Grenzer hab’n sich zusammengethan und ihm Urfehd’ geschwor’n; er lacht sie all’ mit ‘nander aus. Niemand hat solche List und Stärk’ wie er; er ist der Fuchs und der Tiger zugleich; das ist der Grund, warum ihn Keiner fängt.«
»Sollt’ es wirklich Niemand geb’n, der ihm die Faust auf den Nacken legt, Vater?« frug Frieder mit einem beinahe selbstbewußten Lächeln.
»Keinen! Die Bachbauern sind seit Menschengedenk’n ein stark Geschlecht gewes’n, und auch ich hab’ mir auf meine Kraft viel zu gut gewußt. Der Feldbauer ist der Einz’ge, der mir fast gewachsen war, und doch sind wir Beid’ unterlegen, Dein Bruder Franz und ich. Freilich weiß ich net, auf welche Weis’ sie über ihn gekommen sind, und bei mir sind es gar viel gewes’n, sonst hätt’ meine Faust sich schon Raum verschafft.«
»Wie ist’s gekommen, Vater?«
»Das war so: Der Franz hat stets gut Freundschaft gehalt’n mit dem Förster, und sie sind Beid’ sehr oft mit ‘nander auf die Pürsch gegangen. Eines Nachts nun kommen sie net wieder heim, und am andern Morgen findet man sie an einen Baum gebund’n, der Eine hüb’n, der Andre drüb’n, und Jeder todt, die Kugel in der Brust. Die Erd’ und das Gestrüpp sind rings umher zerstampft und zertreten, als hätt’ ein gewalt’ger Kampf stattgefund’n, und in der Tasch steckt bei ihnen ein Zettel, darauf steht geschrieb’n: ›Zur Strafe vom Waldkönig.‹ Als sie mir nachher den Franz herbeibracht’n, ist mir’s gewes’n, als ob mich einer mit der Keul’ erschlüg; ich hab’ alle Sinn’ verlor’n, mich eingeschloss’n und nix gewußt von dem, was um mich vorgegangen ist. Erst nach dem Begräbniß hat mich die Mutter wieder hervorgebracht, und ich bin hinausgegangen auf den Friedhof zu meinem Sohn, der tief unter der Erd’ gelegen hat, wo ihn mein Aug’ net erreichen konnt’. Da hab ich das Gelübd’ gethan, net zu ruhn und net zu rast’n, bis der Waldkönig unter mir liegt wie der Tiger unter dem Elephant, der ihn mit einem einz’gen Tritt vernichtet und zermalmt.«
Die letzten Worte waren pfeifend zwischen den knirschenden Zähnen hervorgestoßen, und über das Gesicht des Erzählers zuckte ein Grimm, der alle seine Glieder erbeben machte. Frieder hatte seine beiden Hände ergriffen.
»Vater,« rang es sich aus seiner hochgehenden Brust hervor, »grad so denk’ und fühl’ auch ich in diesem Aug’nblick, und was Dir net gelungen ist, das werd’ ich um so sich’rer erreich’n; das schwör’ ich Dir. Hier hast Du meine Hand darauf!«
»Du – –? Geh, Bub’! Was denkst’ von Dir und ihm? Du bist der kleine Student, der mir net an die Schulter reicht und dem das Studium das Mark aus Leib und Seel’ genommen hat. Ich hab’ es nimmer gern gehabt, Dich als hochgelehrt zu sehen, aber Du hast gute Wort’ gegeben und die Mutter auch, und so ist Euch Euer Will’ geschehen. Jetzt nun bin ich blind, der Franz ist todt und das Geschlecht der Bachbauerries’n stirbt aus. Ich war der Stärkst’ von All’n, drum nennt man
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