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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Herz zerreißt, das zu sehen, was zu lesen mir schon so entsetzlich war. Gebe Gott, daß noch Hülfe für Deine lieben Augen möglich ist.«
    »Nix ist mehr möglich, gar nix! Ich bin bei allen Doktor’n und Professor’n gewes’n und hab um Hülf gefleht wie ein Nestling, der zur Erd’ gefallen ist, aber umsonst. Komm, steig’ ein. Ich erzähl’ Dir die Geschicht unterwegs!«
    »Laß mich erst den Koffer besorgen!«
    Nachdem dieser von dem Knecht geholt und auf den Bock befestigt worden war, stiegen Vater und Sohn ein; die Braunen zogen an, und der Wagen rollte der nahen Landstraße zu, welche höher hinauf in das Gebirge führte.
    Schweigend saßen sie neben einander. Der Bauer rang mit den finstern Regungen seines Innern, mit denen er seit seiner Erblindung so viel und so vergeblich gekämpft hatte und die sich jetzt von Neuem mit doppelter Gewalt in ihm aufbäumten, da er sich verurtheilt sah, auf den so lange entbehrten Anblick des geliebten Sohnes für immer verzichten zu müssen. Und Frieder, wie der Gebirgler sich den Namen Friedrich gern zurechtlegt, konnte kein Auge von der Zerstörung wenden, welche dem Gesichte des Vaters den einst so freundlichen und intelligenten Ausdruck geraubt hatte. Es wallte in ihm von Gefühlen, welche ihm heiß und feucht in das Auge traten und ihm die Hände ballten, als müsse er den unheilvollen Urheber solcher Leiden zwischen ihnen zermalmen. Der Betreffende wäre in einer solchen Lage nichts weniger als zu beneiden gewesen, denn Frieder besaß, wie der Knecht vorhin ganz richtig bemerkt hatte, die Natur des Vaters und war diesem an jugendlicher Gewandtheit jedenfalls noch überlegen. Zwischen den Bergen rechnet man mehr mit den physischen Kräften als auf dem städtereicheren Lande, wo das geistige Vermögen den bevorzugten Faktor bildet.
    »So hast’ also den Brief erhalt’n?« frug endlich der Bauer, als der Wagen schon längst die Stadt verlassen hatte und beinahe geräuschlos zwischen den bewaldeten Höhen dahinfuhr.
    »Ja, ein fürchterlicher Brief!«
    »Er war kurz aber schlimm. Ich konnt ihn net aufsetz’n, weil das Aug’nlicht net mehr vorhand’n war, und so hat ihn die Mutter auf’s Papier gesetzt, die mit der Feder niemals viel zu Weg’ gebracht hat.«
    »Aber warum habt Ihr mir denn nicht vorher gemeldet, daß der Bruder gestorben ist?«
    »Gestorb’n? Ja, gestorb’n ist er, aber wie und woran! Ich hab Dir es net kund gethan, weil ich Dir das Leid auf welche Zeit ersparen wollt’ und weil ich ganz andre Ding’ im Kopfe trug, als Feder und Papier. Aber jetzt sollst All’s erfahr’n jetzt mußt’ All’s wiß’n, denn jetzt bist daheim und der Mund kann sag’n, was die Tin’t net zu erzähl’n versteht.«
    Sein ausdrucksloses Auge starrte leer in die Weite; seine Lippen zitterten unter der Qual des Erlebten und doch noch nicht Ueberstandenen, und seine Hände drückten sich auf die hochgehende Brust, als wolle er den darin wüthenden Schmerz gewaltsam niederdrücken. Dann fuhr er fort:
    »Vom Waldkönig hast gehört?«
    »Nein. Ich war volle fünf Jahre von der Heimath abwesend, habe die weite Welt durchstreift und diese ganze Zeit von zu Hause Nichts vernommen als die letzte Botschaft, welche mich veranlaßte, schleunigst heimzukehren.«
    »So muß ich die Geschicht ganz von vorn anfangen! Du weißt von Kind her, daß vor vielen Jahr’n der Grenzmeister ‘mal sein Wes’n hier in den Berg’n trieb. Er hatt’ alle Wilderer und Schmuggler unter sich, die ihn net verrieth’n, weil sie selber nicht wußt’n, wer er eigentlich war, und weil sie die Straf’ fürchteten, die er Jedem gab, den er für seinen Feind hielt. Wie Viel’ von ihm erschoss’n, erstoch’n oder aufgehängt word’n sind, das ist eigentlich gar niemals herausgekommen; es hat bei ihm weder Gnad’ noch Barmherzigkeit gegeb’n und kam ‘mal unschuldig einer in seine Händ’, so ist ihm das Aug’ geblendet word’n, damit er net im Stand’ sei, den Ort und die Personen wieder zu kennen. Nachher ist er aber doch entdeckt word’n und hat ein schmählich End’ genommen. Weißt’ noch die Geschicht’?«
    »Ja. Der Schmuggel ist eine von jenen Sünden, die vom Volke durch allerhand Trugschlüsse und Spitzfindigkeiten beschönigt werden, so daß man die Pascher mit dem Heldennimbus umgiebt und vorzieht, ihnen allen möglichen Vorschub zu leisten, statt sie der wohlverdienten Strafe zu überliefern.«
    »Hast Recht, Frieder, und wenn es auf mich ankäm’, so

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