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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gelegenheit findet, sich auszusprechen über Alles, was das Herz bedrückt oder die Neugierde befriedigt.
    Zweierlei beschäftigte heute die Zungen ganz besonders: die Rückkehr des Bachfrieder und der seltene Umstand, daß der Feldbauer nicht in der Kirche gewesen war. Daß Beides im engen Zusammenhange stand, wußte man bereits, nur hielt man eine eingehende Erörterung für nothwendig, aus welchem Grunde sich ein zahlreicher Kreis von Zuhörern um Baldrian versammelte, welcher an der Kirchmauer lehnte und mit wunderbaren Gestikulationen sein Erlebniß erzählte.
    »Ja, es war nur drei Minut’n vorher, da hat ihn mein Bauer einen Knirps genannt und er ist ganz still dazu gewes’n, und jetzt auf einmal kommt er über den Feldbauer wie Simson über die Pharisäer, oder wie die Leut’ und das Dorf zur damalig’n Zeit geheiß’n hat. Das war grad wie wenn die Bulldogg’ über die Maus geräth, da giebt’s weder Widerstand noch Rettung, sie wird einfach zu Tod’ gebiss’n und dann aufgefress’n.«
    »Hat sich denn der Feldhof net gewehrt?«
    »Gewehrt? Wo denkt Ihr denn hin? Gewollt hat er’s vielleicht, aber er ist ja gar net dazu gekommen, denn der Frieder ist so unverhofft und schnell über ihn hergefall’n und hat auf ihm geleg’n wie der Ambos auf der Mück’, daß er nur ein wenig mit den Beinen wackeln konnt’, weiter nix.«
    In seinem Eifer gab der gute Baldrian der Sache etwas mehr Farbe, als unumgänglich nöthig war.
    »Ihr hättet nur das Gesicht seh’n soll’n, auf dem die Peitsch’ gearbeitet hat, wie das Graupelwetter auf dem Dach. Da ist Hieb auf Hieb und Schlag auf Schlag ‘kommen, und die Schwiel’, die ich hier über die Nas’ herüber hab, hat mehr als hundert Prozent getrag’n. Der Feldbauer hat nachher auch gar net daran gedacht, sich nochmals an uns zu vergreif’n, sondern ist langsam aufgekrabbelt und dem Schimmel nachgehinkt, als wir davonfuhr’n.«
    »Also darum kommt er net in die Kirch’, weil ihm das Gesicht gezeichnet ist. Ihm ist ganz recht gescheh’n, und nun wird er wohl net mehr so prahlig thun mit seiner Körperstärk’, da er den Meister gefund’n hat.«
    »Er mag sich nur auch ferner fein hübsch in Acht nehmen vor dem Frieder; den hab’ ich in den paar Tag’n ganz genugsam kennen gelernt! Er ist so gut und fromm wie ein Lamm, aber wenn man ihn bei der Gall’ angreift, so mag man nur immer schnell die Flucht ergreif’n. Ihr solltet nur ‘mal seh’n, wie lieb und lind er ist! Die Mutter hat er stets beim Kopf, und den Vater trägt er auf den Händ’n. Dazu greift er wacker an, wo’s nur immer Arbeit giebt, und nämlich wie, das ist die Sach’! Im Hof, da lag ein Klotz, der Bretter geben sollt’; drei Männer konnt’n ihn kaum erschlepp’n; er aber hat ihn aufgenommen und vor’s Thor geschafft, als ob’s ein Schaufelstiel sei oder so ‘was Aehnlich’s. Den Stier nimmt er bei den Hörnern und drückt ihn zu Bod’n, daß er sich net zu rühren vermag. Und bei dieser Gütigkeit und Stärk’ ist er gelehrt und geschickt, daß man sich nur wundern muß. Er hat nach Maschinen geschrieb’n und nach andern Dingen, von denen Unsereiner net ‘mal den Namen kennt, und dem Bauer einen Plan über den Feldbau vorgelegt, nach dem das Land grad um die Hälft’ mehr bringen muß als früher.«
    »Ja, klug ist er und geschickt dazu, sonst hätt’ er ja gar net die Un’versität überstanden. Das Dorf hat noch niemals einen Student’n gehabt, und wir müss’n also stolz auf den Frieder sein, der bewies’n hat, daß es bei uns auch Leut’ giebt, die net auf den Kopf gefall’n sind. Wie er heut die Orgel gespielt hat, so ‘was Schön’s ist hier noch gar nimmer gehört word’n; der Kantor ist das reine Nix geg’n ihn. Seht, dort kommen sie Beid’ vom Chor herab!«
    Frieder wurde von allen seinen Bekannten, denen er bisher noch nicht begegnet war, mit Enthusiasmus begrüßt; er hielt sich aber nicht lang bei ihnen auf, sondern schritt dem stillen Winkel zu, wo sich die gelösten Grabstätten der Bachbauern befanden. Der Platz war von tief herabzweigenden Trauerweiden beschattet, unter denen eine Steinbank stand, deren Sitz mit weichem Moos bekleidet war. Als er die Zweige auseinanderschlug, fiel sein Blick auf ein Mädchen, welches hier gesessen hatte und sich jetzt in halber Verlegenheit erhob.
    Er hatte sie schon in der Kirche bemerkt und sich von ihrer Erscheinung seltsam ergriffen gefühlt. Ihre hohe, volle Gestalt war nicht mit dem hier in

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