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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Gegend üblichen, sondern mit dem jenseits der Grenze getragenen Festtagsgewande bekleidet. Der kurze, roth und schwarz gestreifte Rock ließ einen kleinen und doch kräftig gebauten Fuß frei; um die enge Taille spannte sich eine seidene Schürze, deren zierlicher Schnitt es verrieth, daß sie nicht für den gewöhnlichen Gebrauch gefertigt sei; unter dem dunklen Jäckchen blickte das sammetne Mieder hervor, dessen Ausschnitt verrätherisch das feingefältete, blüthenweiße Hemde frei gab, welches sich in feiner Krause um den schönen Hals legte und eine wundervolle Büste leicht verhüllte. Von dem unbedeckten Kopfe hingen die mit einer einfachen Feldskabiose geschmückten, reichen Haare in zwei langen, dicken Zöpfen bis weit über die Hüften herab, und die feinen Händchen, welche jetzt das Gesangbuch umschlossen, schienen sich noch nie mit gröberer Hausarbeit beschäftigt zu haben. Wer ihr in das Gesicht blickte, hatte keine Zeit, sich bei der Betrachtung der einzelnen Theile desselben aufzuhalten, sondern fühlte sich sofort gefangen von dem Ausdrucke der Sanftmuth und Herzensgüte, welcher über ihm ausgebreitet lag.
    »Grüß Gott,« antwortete sie auf seinen Gruß und schlug die langen, verlegenen Wimpern langsam empor, die sich aber sofort wieder über das große, tiefblaue Auge senkten.
    »Sei net bös über die Störung, die ich Dir bereitet hab’!« bat er. »Ich hab’ net gewußt, daß Wer hier ist. Soll ich gehn?«
    »Nein, bleib nur; denn ich bin’s ja, die weich’n muß!«
    Sie schlug ihr Auge mit einem wie um Verzeihung bittenden Blicke wieder halb empor, und es war ihm, als müsse er die feinen Lider vollends heben, um dieses wunderbare Auge ganz und voll zu erblicken.
    »Warum mußt’ denn weich’n? Bitt’, sag’ es mir!«
    »Weil dieser Ort net mir gehört, sondern Dir.«
    »So kennst’ mich wohl?«
    »Ich sah Dich gestern nach der Stadt reit’n, als ich auf dem Feld’ war, und die Magd sagt’ Deinen Namen.«
    »So darf ich wohl auch wiss’n, wie der Dein’ge lautet?«
    »Martha.«
    »Martha?« wiederholte er, selbst nicht wissend, ob freudig oder schmerzlich überrascht. »So bist’ wohl gar die Martha vom Feldhof?«
    »Ja.«
    Das eine Wörtchen kam nur langsam und in einem Tone über ihre zögernden Lippen, als müsse sie um Gnade flehen, daß sie die Tochter des Feldbauern sei. Er aber trat näher und ergriff ihre Hand.
    »So bin ich Dir unendlich viel Dank schuldig für die große Lieb und Barmherzigkeit, die Du dem Vater und der Mutter erzeigt hast, Martha. Der liebe Gott mag’s lohnen, wir können’s net! Warum bist’ dieser Tag’ net zu uns hereingekommen?«
    Sie schwieg.
    »Darf ich’s net wiss’n?«
    »Ich kann’s net sag’n!«
    »Und eine Ausred’ magst’ auch net mach’n, denn das wär’ eine Lüg’, und dazu bist zu brav und stolz, net wahr? Aber lass’ gut sein, Martha; ich weiß doch, was Du net sag’n willst! Der Vater hat Dir’s verbot’n. Ist’s so oder anders?«
    Sie nickte nur mit dem Kopfe, blickte aber jetzt voll und groß zu ihm empor mit einem Blicke, in welchem er eine hinter der Verlegenheit verborgene Anklage zu lesen meinte.
    »Hätt’ ich gewußt, was ich heut’ nun weiß,« entschuldigte er sich daher unwillkürlich, »so wär’ der Angriff des Feldbauern net in der Weis’ abgewehrt word’n, wie es geschehen ist. Aber, sag, hat er Dir net schon auch vorher verbot’n, nach dem Bachhof zu geh’n?«
    »Ja.«
    »Schaust’, Martha, was ich mein’? Und dennoch bist herüber’gangen! Warum bleibst’ alleweil’ jetzt davon? Die Mutter hat immer groß’ Sehnen nach Dir, und Du kannst ihr große Freud’ bereit’n, wenn Du bald ‘mal vorsprech’ nmagst. Darf ich ihr sag’n, daß Du kommen willst?«
    »Ich weiß’ noch net!«
    »So weiß ich jetzt, warum! Als ich net daheim war, hast’ den Bachhof besucht, nun ich aber nach Haus’ ‘kommen bin, bleibst hinweg. Ich allein bin Schuld; Du magst mich net leid’n. Leb’ wohl, Martha; das thut mir weh!«
    Er ließ die Hand fahren und wandte sich zum Gehen.
    »Frieder!«
    Er drehte sich wieder zu ihr herum.
    »So hab’ ich’s net gemeint! Deine Eltern sind mir net gram, daß mein Vater solche Feindschaft hegt, denn ich kann ja nix dafür; von Dir aber hab ich net gewußt, ob auch Du so denkst wie sie; darum wollt’ ich erst sehen, ob ich auch darf vor Dir.«
    Er legte seine Hand auf die ihrige und entgegnete in beinahe leisem Tone:
    »Das ist nur die halbe Offenheit! Ich

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