Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
selbst gemeint, ich hätt’ den groß’n Mund aber die kleine Faust. Was kann ich Dir da nütz’n?«
»Mach’ keine Flaus’n! Was in der Hitz’ gesagt wird, kann vergessen werd’n. Und Dein Schad’ würd’s auch net sein, wenn Du mir beistehst auf den heut’gen Abend.«
»Mein Vortheil auch net. Fürcht’st Dich vielleicht allein im Wald?«
»Ich? Der Buschwebel? Bist’ bei Sinnen?«
»Ja, mehr als Du selber. Ich wett’, Du kommst net allein hinaus zum Stoll’n. Der Muth ist eine eig’ne Sach’; er weicht gern aus dem Herz’n und setzt sich auf die Zung’.«
»So mag’s bei Dir sein, aber bei mir net. Ich geh, und morg’n wirst’ sogleich erfahr’n, was ich ausgerichtet hab’.«
»Ich bin begierig d’rauf. Geh nur beizeit’n und lauf’ net wieder fort, wenn’s anfängt, Dich zu gruseln!«
Er verließ die Stube und ging nach dem Hofe, wo er den Brunnenraum öffnete und dann von Innen wieder sorgfältig verschloß.
»Welch’ ein Glück, daß er net zu schweig’n versteht! Hätt’ er im Still’n die Anzeig’ gemacht, so wär’ ich in eine saub’re Tint’ gerath’n. Muth hat er, das ist wahr; aber die Klugheit fehlt ihm dabei. Jetzt droht mir von ihm mehr Gefahr als vom Bachfrieder. Er kennt den Stein und das Geheimniß, und ich muß ihn zur Verschwiegenheit bringen. Das Blend’n hilft hier nix; entweder stirbt er, oder – ja, oder er muß mit zur Gesellschaft tret’n; das ist die einz’ge Wahl, die ich ihm lass’. Zu hart ist’s net für ihn, denn was hat er gesagt von der Marthe? Er bekommt zehn And’re an ihrer Stell’! Gut, er wird noch alle Finger nach ihr leck’n und sie dennoch net erhalt’n. Sie war nur die Lockspeis’ und soll mir noch weit höher hinaus. Heut’ halt’ ich Abrechnung mit ihm von weg’n dem Esel, den er mir ins Gesicht geworf’n hat. Er soll ihm wohl bekommen!«
Die Haspel, außer welcher nicht der kleinste Gegenstand in der Brunnenstube zu bemerken war, trug zwei Eimer, welche so an dem Seile befestigt waren, daß je einer von ihnen niederfuhr, wenn der andre in die Höhe ging. Der Feldbauer bestieg den oberen und ließ sich langsam hinab, indem er das den unteren tragende Seilende durch die Hände gleiten ließ. –
Der Feldwebel war in seiner ungewöhnlichen Aufregung zurückgeblieben. Er hatte keine Ahnung davon, daß er ein Spielball in der Hand Dessen sei, den er fangen wollte. Der Rath des Feldbauers schien ihm der beste, und er befolgte ihn um so genauer, als ihm sehr viel daran lag, seinen Muth zu beweisen.
Er konnte das Hereinbrechen des Abends kaum erwarten und machte sich, sobald es zu dunkeln begann, auf den Weg. Die Vorsicht, welche er anzuwenden hatte, ließ ihn nur langsam vorwärts kommen; doch erreichte er die verschüttete Mündung des Stollens noch vor dem neunten Glockenschlage. Er fand auch bald die Birke; es war die einzige, welche an dieser Stelle stand, und er bückte sich nieder, um nach dem angegebenen Loche zu forschen. In diesem Augenblicke aber erhielt er einen Schlag auf den Kopf, der ihn sofort vollends zu Boden streckte; eine Schlinge legte sich um seinen Hals; Hände und Füße wurden zusammengebunden – er hatte das Bewußtsein verloren.
Als er erwachte, war es vollständig dunkel um ihn her, und es vergingen einige Minuten, ehe er sich auf das Geschehene besinnen könnte. Mit der Erinnerung kam ein fürchterlicher Grimm über ihn; er zerrte mit aller ihm zu Gebote stehenden Gewalt an den Fesseln, und als er diese Anstrengung fruchtlos fand, begann er laut zu rufen.
Seine Stimme mußte gehört worden sein, denn es dauerte nicht lange, so vernahm er das Rasseln eines Schlosses, eine Thür wurde geöffnet, und heller Lichtschein fiel auf das faulende Stroh, welches sein Lager bildete. Er befand sich in der Gefängnißhöhlung, welche Frieder jüngst bemerkt hatte. Draußen standen zwei tief verhüllte Männer; der Eine von ihnen trug eine Laterne; der Andre trat näher und löste den Strick, welcher die Füße des Gefangenen zusammenhielt.
»Vorwärts!« gebot er mit einem derben Tritte seiner schwerledernen Stiefel, indem er ihn zugleich beim Kragen packte und in die Höhe zog. Dann stieß er ihn in den Gang und schob ihn vor sich her bis in die Erweiterung des Stollens, wo die Hängelampe unter einem dämpfenden Schirme hervor ein zweifelhaftes Licht verbreitete und eine bedeutende Anzahl finsterer Gestalten, wohlbewaffnet und mit der Maske versehen, rund auf den Bänken Platz genommen
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