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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu seiner Rechten ging der Stollen in horizontaler Richtung in die Erde hinein. Er folgte ihm. Die Schienen, auf denen man die Hunde bewegt hatte, waren noch ziemlich wohl erhalten, ja, es hatte den Anschein, als seien sie auch jetzt noch benutzt. Diese Beobachtung bestätigte sich, als er bei der Stelle anlangte, welche seiner Muthmaßung nach unter dem Feldhof liegen mußte: ein Hund stand hier, noch mit einigen Fässern und Bündeln beladen, und unfern davon lag ein leerer Wassereimer am Boden, an ein Seil befestigt, welches in die Höhe ging.
    Er leuchtete empor. Die Decke zeigte ein zirkelrundes Loch, dessen Höhe der Schein der Laterne nicht zu erreichen vermochte. Das war der Brunnen, den der Feldbauer ganz allein gegraben hatte.
    Frieder ging weiter. Er hatte eine geraume Strecke zurückzulegen, ehe er die Quermauer erreichen konnte, jenseits welcher er seine Nachforschungen gehalten hatte, das wußte er. Darum beschleunigte er seine Schritte so viel wie möglich, und gelangte endlich an eine Stelle, wo der Stollen zu einem Raume erweitert worden war, der, wie gleich der erste Blick belehrte, zur Waarenniederlage benutzt wurde. Hier lag alle mögliche Art von Schmuggelgut vom Boden bis zur Decke aufgespeichert, auch Waffen hingen an den Wänden, wohl für den Fall der Aushilfe, und an der einen Seite war ein Schränkchen angebracht, dessen Thür offen stand.
    Frieder leuchtete hinein. Neben Gold und allerlei Werthsachen lagen einige Bücher; sie enthielten eine zwar von unkundiger Hand geführte aber sehr genaue Buchführung über das geheimnißvolle Speditionsgeschäft des Waldkönigs. Die Namen aller Interessenten waren genannt; die Bücher mußten ihnen verderblich werden, wenn sie in die Hand der Behörde gelangten – der Feldbauer war doch nicht so schlau, wie er es selbst von sich dachte.
    Der Stollen führte weiter, doch nur wenige Ellen, dann stand Frieder an der Mauer, welche sein heutiges Ziel bildete. Er war auf eine schwierige und vielleicht gar resultatlose Untersuchung derselben vorbereitet gewesen, sah sich aber, allerdings nur zu seiner Freude, getäuscht, denn sobald der Schein der Laterne auf sie fiel, gewahrte er die Konstruktion, von welcher er an ihrer andern Seite keine Spur gefunden hatte.
    Es war eine Drehwand, zwischen vier Rahmenbalken aufgeführt, welche so bearbeitet und angestrichen waren, daß sie an der Mündungsseite des Ganges ganz genau an die Wände desselben anschlossen und auch in Beziehung ihrer Farbe nicht von ihrer Umgebung abstachen. Ein hölzerner Riegel je hüben und drüben bewerkstelligte den Verschluß. Frieder schob den einen zurück und konnte nun mit einem verhältnißmäßig leichtem Drucke die Mauer bewegen.
    Der Waldkönig hatte das Alles jedenfalls nur eigenhändig hergestellt. Welche Anstrengung und Ausdauer hatte es ihm wohl gekostet, dem alten Stollen seine jetzige Einrichtung zu geben!
    Jetzt hätte Frieder durch den Trichter das Freie am leichtesten und Sichersten erreichen können, aber er mußte wieder zurück, um seine Anwesenheit nicht zu verrathen. Die Scheidemauer war nur von dieser Seite zu öffnen und zu verschließen, und die im Schachte niederhängende Leine konnte nur allzu leicht zum Verräther werden. Er kehrte also um und beeilte sich so viel wie möglich, die Ausfahrt zu erreichen. Er wußte nicht, zu welcher Stunde die Schmuggler heut bestellt waren, und konnte darum einer Begegnung mit dem Waldkönige recht gut gewärtig sein.
    Nur einem Manne von seiner riesenhaften Stärke war es möglich, sich in dem Schachte emporzuziehen, und als er später nach sorgfältiger Entfernung aller Spuren die Scheune verließ, athmete er auf wie nach einer Anstrengung, die auch die kleinste seiner Fasern in Anspruch genommen hatte.
    Bei den Eltern fand er Martha, die ihm beinahe verlegen die Hand reichte. Es war ja das erste Mal, daß sie mit ihm in Gegenwart der Seinen zusammentraf.
    »Wo bist’ schon wieder gewes’n, Frieder?« forschte der Vater. »Ich hab’ mich gefreut, daß Du aus der Fremd’ gekommen bist, und geglaubt, Dich immer bei mir zu hab’n; jetzt aber ist’s ganz anders. Du bist fast gar nie daheim, sondern gehst Deine Weg’, und wir bleib’n zurück und mög’n sehn, wie wir mit unsrer Sorg’ fortkommen!«
    »Laß’ gut sein, Vater! Das Herumstreich’n hat ein End’. Meine Aufgab’ ist gelöst, und Ihr sollt mich nun von jetzt an wieder ganz bei Euch hab’n.«
    »Ist’s wahr? Deine Aufgab’ ist erfüllt, und Du gehst

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