Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hatte.
    Einer von ihnen erhob sich.
    »Feldwebel, weißt’, wo Du bist?« Seine Stimme klang dumpf unter der Maske hervor, so daß wohl jede Silbe zu vernehmen, an ein Wiedererkennen aber nicht zu denken war.
    »Ja. Im Stoll’n bin ich, in der Räuberhöhl’, hinterrücks überfall’n und hereingeschafft. Aber das soll Euch net gut bekommen; ich werd’ Euch all’ zusammen an den Galg’n bringen oder ans Schaffot!«
    Ein durch die Larven gedämpftes allgemeines Gelächter war die Antwort.
    »Spar’ das Droh’n und Aufschneid’n!« meinte der vorige Sprecher. »Du bist net in der recht’n Lag’ dazu. Du stehst vor Gericht und sollst das Urtheil hab’n für die Müh’, die Du Dir mit uns gibst.«
    »Vor Gericht? Ich kenn’ kein Gericht, das in solcher Weis’ abgehalt’n wird, ich protestir’ dageg’n, ich erkenn’s net an; ich will meine Freiheit hab’n!«
    »Ob Du protestirst oder net, das ist uns ganz gleich, und wenn das Urtheil ausgeführt ist, mußt’s schon anerkennen.«
    »Das thu’ ich net! Ihr habt kein Recht, mich zu fangen; Euch selber gehört der Strick und die Kugel; Ihr seid Diebe, Mörder, Räuber.« –
    »Halt! Schau Dich um, Buschwebel. Dort steht der Waldkönig. Siehst’ das Pistol in seiner Hand? Sobald Du noch ein einzig’ Wort sagst, das ihm net gefällt, bist’ eine Leich’. Dann schimpf, so viel Du willst!«
    Der Sprecher deutete nach dem Hintergrunde des Stollens. Dort stand hoch aufgerichtet die breite Gestalt des Pascheroberhauptes. Die langen Haare rollten bis auf den Nacken herab, der dunkle Bart quoll unter der Larve hervor, im Gürtel blitzten die Waffen, und die ausgestreckte Rechte hielt sich zum Losdrücken bereit.
    Den Feldwebel überlief ein kalter Schauer. Sein ganzes heißblütiges Naturell sträubte sich gegen den Zwang, und doch mußte er einsehen, daß hier die einzige Rettung nur in der Ergebung zu suchen sei.
    »So beginnt das Poss’nspiel, aber macht’s so kurz wie möglich!«
    »Hab’ keine Sorg’! Wir sind net an allzu große Läng’ gewöhnt! Also, Du hast geschwor’n, den Waldkönig zu fangen, um Lieut’nant zu werd’n und den Preis zu erhalt’n, der auf seinen Kopf gesetzt ist. Weil das aber ein ganz vergeblich Beginnen ist, so woll’n wir Mitleid mit Dir hab’n und Dir behilflich sein. Die Treß’, nach der Du Dich sehnst, sollst’ gleich bald erhalt’n und auch den Preis, aber net in Silber und Gold, sondern in Hanf und Eis’n: Sieh’ her! hier ist der Strick und dort der Nagel. Da wirst abgethan, und morg’n in der Früh’ hängst’ im Wald, und in der Tasch’ steckt der Zettel mit der Schrift: ›Zur Strafe, vom Waldkönig!‹ grad wie beim Bachfranz und beim Förster.«
    »Das ist Todtschlag, das ist Mord, den ich gar net verschuldet hab’!«
    »Sei still! Weshalb bist’ nach Finsterwalde versetzt? Warum liegst’ im Wald den ganz’n Tag, und wozu bist’ heut’ an den Stoll’n gekommen? Du hast unsern Bestellort belauscht und mußt sterb’n. Der Tod macht alles stumm; dann sind wir sicher.« Er wandte sich zu den Paschern. »Wer von Euch für den Tod stimmt, der mag aufsteh’n!«
    Alle ohne Ausnahme erhoben sich.
    »Siehst’, Feldwebel, wie’s um Dich steht? Bet’ ein Vaterunser oder ein Ave Maria, ganz wie Du willst, denn in zwei Minut’n hängst’ an der Wand!«
    Die Männer hatten sich nicht wieder gesetzt, sie umringten ihn drohend. Er fühlte zum ersten Male in seinem Leben die Angst vor dem Tode über sich kommen.
    »Gibt’s keine Rettung, keine Hülf’ weiter?« frug er bebend.
    »Keine!«
    »Ich werd’ schweig’n, ich werd’ Euch net verrath’n!«
    »Das versprichst’ wohl, aber zu halt’n, das vermagst’ net!«
    »Ich schwör’s Euch zu. Fordert den schlimmst’n Eid; ich werd’ ihn willig leist’n!«
    »Dein Eid nützt uns nix. Nur das Grab ist still und plaudert net. Komm’ her!«
    Er legte ihm die Schlinge wieder um die Beine. Ein Widerstand war unmöglich. Der Buschwebel hatte dem Tode mehrmals kalt in das Auge geschaut; das war auf dem Schlachtfelde gewesen, wo man mit ruhmglänzender Stirn und bewaffneter Faust gegen ihn anstürmt. Hier aber war das anders. Hier sollte er ohne Kampf und Ehre vom hinterlistigen Meuchelmorde überfallen werden; seine ganze Natur bäumte sich dagegen auf, und kein Mittel schien ihm zu kostbar oder zu – verwerflich, um sich zu retten. Er versuchte noch einmal die Festigkeit der Fesseln, seine Muskeln schwollen unter ihnen beinahe um das Doppelte,

Weitere Kostenlose Bücher