Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
wurde erst aufmerksam, als sie unbekannte Gegenstände unter den tastenden Fingern fühlte und ein eigenthümlicher Modergeruch, wie er unbewohnten Räumen eigenthümlich zu sein pflegt, sie umwehte.
»Mein Gott, ich bin ja gar nicht zu Hause!«
»Aber doch unter Dach und Fach, und es wird Dir schon in diesem einsamen Waldhause gefallen, wenn ich nur erst das Reißig dort auf dem Herde in Brand gesteckt habe. Dann wird es warm und traulich, und wir können unsere unterbrochene Unterhaltung von heut Morgen in aller Gemüthlichkeit fortsetzen.«
Sie schrak bei dem Klange dieser Stimme heftig zusammen und wandte sich hastig zurück, den Ausgang zu suchen. Da aber wurde sie bei der Hand gepackt und hörte zugleich den Riegel in’s Schloß fallen.
»Halt, so rasch geht das nicht, Liebchen! Jetzt mußt Du schon bei mir aushalten; der Wagen ist fort und diesmal hilft Dir kein Gott und kein Teufel los.«
»Der Teufel wohl nicht, aber glaubt Ihr wirklich, daß es keinen höheren Schutz gebe für ein armes, wehrloses Mädchen und daß ich nun verloren sei, weil ich nicht mehr sehen und mich also noch weniger vertheidigen kann als früher?«
Das sonst so furchtsame Mädchen, welches damals auf der Waldwiese vor Schreck keines Wortes fähig gewesen war, war in diesem Augenblicke kaum mehr zu erkennen. Der Gedanke, daß sie in ihrer gegenwärtigen Lage Hilfe nicht von außen, sondern nur in sich selbst zu suchen habe, concentrirte all ihre Energie auf den Entschluß, sich bis zum letzten Reste ihrer schwachen Kraft zu vertheidigen. Stolz und aufrecht, die Röthe der Entrüstung auf den Wangen, das starre Auge gespenstisch auf den Gegner gerichtet, stand sie da, vom Scheine der knisternden Flamme beleuchtet und streckte den Arm aus, nach einem Halt zu suchen. Bei dieser Bewegung kam ihr der Griff des Stoßdegens in die Hand, welchen der Junker der Bequemlichkeit wegen abgelegt und in die Ecke gelehnt hatte. Im Augenblicke war die Waffe entblößt und zum Stoße gezückt, und diese Entschlossenheit verfehlte ihren Eindruck selbst auf den harten, rücksichtslosen Mädchenräuber nicht.
Er war unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten, doch wich diese Bestürzung bald einem schadenfrohen, höhnischen Lachen, mit welchem er wieder auf sie zutrat.
»Alle Wetter, jetzt fange ich wirklich an, mich zu fürchten. Monatelang bin ich um dich herumgelaufen und habe die Gelegenheit erspäht, einmal so recht schön allein und ungestört mit Dir zu sein, und nun es mir endlich so prächtig geglückt ist, soll ich Dich wieder laufen lassen, weil ich mich entweder vor Gespenstern oder gar vor meiner eigenen Klinge fürchte. Mein wirst Du heute und wenn sich zehn Götter und hundert Schmiedejungens dagegen stellten!«
Rasch hatte er ihren Arm unterlaufen und drückte mit seiner gewaltigen Faust ihre Hand, daß sie mit einem lauten Wehruf die Waffe fallen ließ. Noch aber war es ihm nicht gelungen, sie aus der Ecke, in welcher sie sich rückenfrei gestellt hatte, zu entfernen, als die Thüre unter einem mächtigen Stoße erkrachte und sich draußen eine tiefe, volltönende Stimme hören ließ.–
»Aufgemacht, oder ich trete die Bude zusammen!«
»Das ist Richard«, rief, vor Freude zitternd, das bedrängte Mädchen. »Herein, herein, zu Hilfe!«
Wirklich schien das Häuschen aus allen Fugen gehen zu wollen, als auf diesen Ruf die von einem Fußtritte aufgesprengte Thür in den engen Raum hereinstürzte.
»Ah, die Herren Junkers laichen im October!«
Es lag eine wahrhaft niederschmetternde Verachtung in dem Tone, mit welchem diese Worte ausgesprochen wurden. Die schlanke, elastische Gestalt des »Schmiedejungens« lehnte leicht und graziös an dem halb aus der Mauer gerissenen Thürpfosten; die kleine, von der Arbeit jetzt etwas gehärtete Hand drehte in zierlichen Windungen die Spitzen des schwarzen Bärtchens, und mit spöttischem Aufleuchten schweifte der Blick seines festen, furchtlosen Auges über die hochaufgerichtete, muskulöse Figur des Ertappten hin zu dem Mädchen, welches sich wie dankend mit gefalteten Händen der Richtung zugewendet hatte, in der er stand.
Da entfuhr den Lippen des in seiner Erwartung betrogenen Feindes ein Fluch, so gräßlich und lästerlich, daß das Mädchen erbleichte; im nächsten Augenblicke hörte sie die Männer zusammenprallen, dann vernahm sie ein beängstigendes Aechzen, Stöhnen und Schnaufen und dann erfolgte ein Krach, unter welchem der Fußboden erzitterte.
»Hund, das soll Dir nicht
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