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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wäre die Arbeit blos zum Vergnügen da; er könnte mir doch wenigstens sagen, was ihn so oft von ihr abhält. Gestern ist er wieder den halben Tag fortgewesen, und heut steht er nun sogar während der Mittagsstunde draußen und hämmert drauf los, als wolle er den Ambos in den Boden hineintreiben. Aber wer kommt da? Ein Schlitten mit einem Fremden. Da wird’s wohl etwas auszubessern geben.«
    Der Passagier stieg aus, sprach einige kurze Worte zu dem Gesellen und trat dann in die Stube.
    »Grüß Gott! Kann ich einige Augenblicke hier verweilen? Meine Deichsel ist abgebrochen und ich muß mir ein Band darumlegen lassen.«
    »Willkommen, Herr, machts Euch bequem! Ich werde gleich mit zugreifen, damit Ihr nicht zu lange aufgehalten werdet.«
    Weißpflog ging hinaus, und die gesprächige Meisterin befand sich bald in lebhafter Unterhaltung mit dem Fremden, der den Reisepelz abgeworfen hatte und beobachtend am Fenster stand. Den männlich schönen Kopf leicht zurückgeworfen, strich er sich nachdenklich den blonden, wolligen Vollbart und ließ die freundlichen, blauen Augen forschend umherschweifen. In kurzer Zeit hatte die inquirirende Wirthin erfahren, daß er ein Augenarzt sei und nach Dresden reise, um einen dortigen vornehmen Blinden in Behandlung zu nehmen. Erfreut von dieser Entdeckung erzählte sie ihm von Augusten und bat, das Mädchen einmal holen zu dürfen. Lächelnd nickte er mit dem Kopfe, und einige Minuten später trat die Genannte ein.
    Er hatte sich bei ihrem Eintritte herumgewandt und schien ihr entgegentreten zu wollen. Bei ihrem Anblicke blieb er wie gebannt stehen und achtete nicht auf die präsendirenden Worte der Wirthin.
    »Anna!« klang es hell und jubelnd.
    »Anna heißt meine Mutter, ich heiße Auguste.«
    Er ließ die erhobenen Arme langsam sinken und wandte sich zur Hausfrau.
    »Nanntet Ihr sie nicht Anna, als Ihr mir vorhin von ihr erzähltet?«
    »Nein, sie heißt Auguste.«
    »Dann habe ich mich allerdings verhört.«
    Aber trotz seines Bestrebens, die Aufregung zu verbergen, lag es wie eine tiefe, kaum zu beherrschende Rührung auf seinen Zügen, und innig und voll strahlte sein Blick auf das Angesicht des schönen Kindes herab.
    »Tritt einmal näher und laß mich Dein Auge sehen.«
    Als er das Instrument absetzte, durch welches er die erkrankten Gesichtsorgane besichtigt hatte, ließ er die eine Hand auf ihrem Köpfchen ruhen und zog dasselbe an sich.
    »Du wohnst in der Oberstube?«
    »Ja.«
    »Hast Du einige dichte Tücher, um die Fenster zu verhüllen?«
    »Ja.«
    »Komm, laß uns hinauf gehen. Wo ist Deine Mutter?«
    »Sie ist für einige Tage auf Arbeit, und ich bin da allein.«
    Es war eine so liebe, trauliche Stimme, mit welcher er zu ihr sprach, und ihre Seele athmete ihren Klang ein, wie der Genesende mit Entzücken den belebenden Duft der Maien trinkt. Noch lag ihr Haupt an seiner Brust, sie fühlte den stürmischen Schlag seines Herzens und hätte an demselben mit innigem Vertrauen liegen mögen immer und allezeit.
    Es war ihr, als müsse sie diesem fremden Manne angehört haben seit dem ersten Augenblicke ihres Lebens und als müsse sie sein Eigen bleiben auch bis zur letzten Stunde desselben. Ohne Widerstreben duldete sie das liebkosende Streicheln seiner Hand und ohne Widerstreben folgte sie ihm dann auch nach oben.
    Als sie aus der Stube traten, richtete Goldschmidt einen fragenden Blick auf den Arzt, welchen derselbe mit leisem, kaum bemerkbarem Nicken beantwortete, und schritt dann dem Meister nach, welcher, das rauchende Eisen in der Zange, nach dem Schlitten ging.
    In nicht gar langer Zeit war die Reparatur vollendet, und eben als die Pferde wieder vorgespannt wurden, kam auch der Herr des Geschirres wieder die Treppe herabgestiegen und trat zum Meister.
    »Ich wünsche, daß Euch Euer Werk so gelungen sei, wie mir das meinige gelungen scheint, wenn nicht störende Umstände meine Erwartungen zu nichte machen. Ich habe, ohne erst zu fragen, das Mädchen operirt und bin des Erfolges sicher, wenn die Weisungen befolgt werden, welche ich der Patientin hinterlassen habe. Die Binde bleibt liegen, bis ich wiederkomme, um sie selbst abzunehmen. Hier Eure Bezahlung, Meister, und hier auch ein Trinkgeld für Dich.«
    Ehe Weißpflog aus der Ueberraschung herauskommen konnte, in welche ihn die Mittheilung des Arztes versetzt hatte, war derselbe mit seinem Schlitten schon außer Hörweite, und als er sein Erstaunen über das jedenfalls etwas eigenmächtige Einschreiten des

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