Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Doctors dem Gesellen mittheilen wollte, war auch dieser verschwunden. Besorgt und neugierig zugleich stieg er deshalb die Treppe hinan, um mit der Kranken selbst zu sprechen.
Unterdessen stand Goldschmidt in seiner Kammer und entfaltete das Billet, welches ihm als Trinkgeld übergeben worden war. Es enthielt nur wenige von einer fast unleserlichen Hand geschriebene Zeilen, die eine allerdings ungewöhnliche Orthographie zeigten:
»An dem Shmietegesehle Goldschmidt.
Wir komen, und wem der Deibel nicht vorheer holt, den hohlen Wir. Schafe Er Uns den Kehrl und mann wird weider sehn. Die Läute sind in der bewussten Zeit da und der Docktor miet.
Sein ahlter
Leopold.«
Einige Tage waren vergangen. Draußen pfiff der Wind und häufte den Schnee zu mannshohen Wehen empor. Desto wohler und gemüthlicher saß es sich in der warmen Stube, wo die Bewohner der Schmiede um den Tisch saßen und sich mit der Neuigkeit beschäftigten, welche trotz des Unwetters schon am frühen Morgen von Dresden her ihren Weg nach Ernstthal gefunden hatte.
Bei Kesselsdorf war es zu einer Schlacht gekommen, bei welcher auf Seite der Preußen der alte Fürst von Anhalt-Dessau commandirte. Das wunderliche Gebet dieses sonderbaren Haudegens war schon in den schwatzhaften Mund der Fama gekommen, aber man befand sich noch in vollständiger Ungewißheit über die Erfüllung desselben. Da ließen sich stampfende Fußtritte vernehmen, welche den angeballten Schnee vor der Thür abzutreten suchten, und gleich darauf trat der Forstgehülfe Franz ein.
»Guten Tag! Ist der Goldschmidt zu Hause?«
»Schön Dank! Der ist droben in seiner Kammer; er wird seine Sachen zusammenpacken.«
»Seine Sachen? Weshalb?«
»Weil er fort will.«
»Fort? Wieso?«
»Weiß ich’s? Es war heut früh wieder so ein Luftikus von Fechtbruder da und der scheint ihm Lust zur frischen Luft gemacht zu haben. Weshalb er aber fort will, das kann ich nicht begreifen; er bekommt es nicht gleich wieder so gut, wie bei mir. Uebrigens hat er mit Euch bessere Kameradschaft gehalten als mit uns, und so werdet Ihr wohl auch besser unterrichtet sein als wir.«
»Von großer Kameradschaft ist keine Rede gewesen. Er hat den Junker beobachtet und ich bin ihm dabei behülflich gewesen, das ist Alles.«
»Den Junker? Weshalb denn?«
»Hat mir nichts darüber gesagt, aber ich glaube wegen der Auguste, auf die der Blauweiße ja immer ein Auge gehabt hat?«
»Wie steht es denn jetzt mit diesem?«
»Er ist seit Kurzem wieder auf. Damals hieß es, er sei von Holzdieben überfallen worden; es lag ihm ja dran, den wahren Sachverhalt nicht ruchbar werden zu lassen, und Euer Schweigen ist ihm jedenfalls recht gewesen. Uebrigens munkelt man ganz sonderbare Dinge von ihm.«
»Was denn?«
»Ihr habt wohl einmal gehört, daß dem Könige von Preußen ein Offizier mit Karten und Plänen durchgegangen ist, die er hier in Sachsen verwerthet hat. Dieser Mann soll der Junker sein. Der König soll sehr auf seine Auslieferung gedrungen haben, aber immer ohne Erfolg, und so könnte es möglich sein, daß – doch, ruft mir rasch den Goldschmidt!«
»Weshalb denn nur?«
»Das werdet Ihr hernach schon hören. Die Sache hat Eile!«
»Na, da bin ich doch neugierig. Richard, he, komm doch ‘mal herunter!«
»Daß der auch grad heut fort will! Im Winter läuft man doch nicht draußen auf der Wanderschaft herum.«
»Das denke ich eben auch, Aber er hat immer seinen Kopf für sich gehabt und läßt sich in keinem Stücke zureden.«
Der Gerufene trat ein und erwiderte den Gruß des Forstwarts.
»Ihr wollt fort?«
»Ja.«
»Aber der Blauweiße ist wieder auf den Beinen.«
»Ich weiß es.«
»Und führt Böses im Schilde.«
»Ich weiß es.«
»Auch gegen Euch.«
»Ich weiß es.«
Verdutzt sah ihn der Alte an.
»Das ist nicht möglich! Ich habe erst vor kaum einer Stunde eine Unterredung belauscht, die er mit einem Offizier hatte.«
»Das ist der Rittmeister von Krieben, welcher im Juli hier gestanden hat. Wir wollen einmal sehen, ob das, was ich weiß, mit dem übereinstimmt, was Du mir sagen willst. Der alte Dessauer hat nämlich gestern die mit Schnee und Eis bedeckten Anhöhen von Kesselsdorf mit seinen Grenadieren erstürmt und den Feind vollständig geschlagen. Heut wird der König auf dem Schlachtfelde erscheinen und dann Dresden in Besitz nehmen. Noch weiß man nicht, welche Folgen dies haben wird; es kann zum Frieden führen, aber ebenso steht auch der Fall zu erwarten, daß
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