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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder gelingen!« hörte sie die keuchende Stimme des sich wieder vom Boden aufraffenden Junkers. Das Ringen und Schnaufen begann von Neuem und war von unarticulirten Lauten begleitet, die aus einer wie eingeschraubten Brust hervordrangen; dann flog es wieder an ihr vorbei, erst an die gegenüberliegende Wand und dann zur Erde nieder, von der Thür her aber klang es ruhig und bedächtig:
    »Bitte, Auguste, nur immer in der Ecke bleiben!«
    Der Kampf erneute sich, Säbelhiebe klirrten, dann flog die Waffe gegen das Fenster, ein schwerer, dumpfer Fall ließ sich hören, ihm folgte ein tiefes, ängstliches Nöcheln und endlich ein Schlag wie mit einer Keule gegen einen hohlen aber festen Gegenstand; ein letzter, fürchterlicher Schrei und dann war Alles still.
    »Richard«, rief sie, die Hände in unendlicher Angst vorstreckend, »Richard!«
    »Hier bin ich!« klang es neben ihr, und nicht das leiseste Zittern seiner Stimme, nicht das geringste Beben seiner Hand, welche die ihrige gefaßt hielt, verrieth die furchtbare Aufregung und Anstrengung, welche die letzten Augenblicke gebracht hatten.
    »Wo ist er?«
    »Er liegt, von einem Faustschlage betäubt und von seiner eigenen Waffe verwundet, hier am Boden.«
    »Mir ist so angst; wir wollen gehen!«
    »Jawohl. Noch stehe ich zu allein, um ihn fassen zu dürfen, aber es wird die Stunde kommen, in welcher ich mit ihm abrechne.«
    Indem er diese Worte mehr zu sich selbst als zu dem Mädchen sprach, nahm er ihren Arm und schritt, ohne den Besiegten eines weiteren Blickes zu würdigen, mit ihr hinaus. Rechts und links streckten die Bäume ihre dunklen Aeste über den Weg und ließen nur selten einen silbernen Sternenstrahl zwischen sich hindurchschlüpfen. Der Wald rauschte seine geheimnisvolle Weise und mißtönender Unkenruf klang vom Teiche herüber. Das Mädchen schmiegte sich inniger an ihren Begleiter und stützte sich fest auf den Arm desselben. Er fühlte das Zittern ihrer Hände, er hörte den beklommenen Hauch ihres Athems, aber er sprach kein Wort.
    Da plötzlich blieb sie stehen, schlang die Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf nieder zu dem ihrigen.
    »Richard!«
    Sie wollte weiter sprechen, aber die Thränen erstickten ihre Stimme, und weinend barg sie das Gesicht an seine Brust.
    »Auguste, Du liebes, süßes Wesen, magst Du bei mir sein und mit mir jetzt und immerdar?«
    »Wie gern, ach wie gern! Aber es darf nicht sein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin blind.«
    »Hast Du nicht den Trost verstanden, den ich Dir am Abende eines jeden Tages mit der Rose geben wollte?«
    »O ja.«
    »Dann hege Hoffnung und vertraue Gott und mir. Willst Du?«
    »Ja.«
    »So komm, wir müssen eilen, um die Angst der Mutter zu stillen. Ich kann mir denken, wie Alles gekommen ist, und Du sollst erst dann erzählen, wenn wir zu Hause sind.«

5.
Die Rekrutenpresse
    »Und ich wiederhole es, der Richard ist ein Erzstrick, und je länger er da ist, desto ärger treibt er’s. In der ersten Zeit lief er wenigstens nur des Nachts draußen herum, jetzt aber geht er mir oft schon am frühen Morgen von der nothwendigsten Arbeit fort, und wenn ich einmal denke, daß wir ihn zu Hause haben, so sitzt er droben in seiner Kammer und kramt in Büchern und Landkarten herum, die doch einem ehrlichen Schmied nicht den kleinsten Quark Nutzen bringen. Und dabei läuft mir seine Bekanntschaft fast das Haus ein. Bald kommt ein zerlumpter Schneider, bald ein liederlicher Schuster, bald Der, bald Jener, der ihn draußen auf der Wanderschaft kennen gelernt hat, und dann wird droben geschnapst und geduckmäusert, daß man kaum einmal Gelegenheit bekommt, nach dem Buche zu fragen. Man will doch auch gern wissen, wer bei Einem ein-und ausgeht. Freilich holt er das Versäumte rasch und gut wieder ein, aber ich mag doch eine solche Unordnung nicht leiden und werde ihn, obgleich es mir herzlich sauer ankommen wird, schließlich fortschicken müssen.«
    »Nein, Alter, das wirst Du nicht. Er ist in allem Andern so brav und so – so – so – ich weiß nicht gleich wie ich sagen soll, aber es ist mir immer, als müßten wir uns dafür bedanken, daß er mit uns fürlieb nimmt. Er ist Dir ja selbst an’s Herz gewachsen, und nur Deine strenge Ordnungsliebe stößt sich an Dinge, die er gewiß unterlassen würde, wenn er nicht Grund zu ihnen hätte.«
    »Na, ich will nicht mit Dir zanken und gebe auch gern zu, daß ich im Uebrigen einen ganz gewaltigen Respect vor ihm habe, aber bei ihm sieht es grad so aus, als

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