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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lieb geworden, als gehörten sie zu seiner eigenen Familie, und ihr Wegbleiben verursachte ihm ernstes Bedenken. Goldschmidt dagegen ließ nicht die geringste Spur von Sorge an sich bemerken. Wortkarg wie immer, erwähnte er der Abwesenden mit keiner Silbe, setzte sich nach beendigter Arbeit ruhig zum Essen nieder und verließ dann phlegmatischen Schrittes die Stube. Aber kaum eine Minute später hörten die Meistersleute ihn das Haus verlassen, und als die wißbegierige Hausfrau ihm durch die halbgeöffnete Thür nachblickte, sah sie ihn den Weg nach der Straße einschlagen, die nach Chemnitz führte.
    Je weiter er sich von Ernstthal entfernte, desto eiliger wurde sein Lauf. Kurz vor dem nächsten Dorfe begegnete ihm eine verschlossene Kutsche, auf deren Bocke er trotz der Dunkelheit zwei Männer gewahrte, von denen der Eine den Anderen fast um Kopfeslänge überragte.
    »Das war der Junker! Er kommt auch von Chemnitz und hier ist sicher irgend eine Teufelei los, die jedenfalls in Verbindung mit dem langen Außenbleiben unserer Frauen steht. Ich fahre mit.«
    Gedacht, gethan. Er nahm Platz auf dem leeren Kofferbrette und beschloß, nicht eher als bis beim Halten des Wagens abzusteigen.
     
    Die Frauen waren erst am Nachmittage bei dem Arzte vorgekommen. Dieser hatte die kranken Augen einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen und dann den Kopf geschüttelt. Die medicinische Kenntniß hatte damals noch nicht die Höhe der Entwickelung erreicht, auf welcher sie sich jetzt befindet; man stritt sich über die verschiedenen Systeme und war noch nicht zu der Erfahrung gelangt, daß es die beste Kunst des Arztes sei, Hindernisse zu entfernen und die Natur zu unterstützen. Man erging sich in den verschiedenen Philosophemen und nur selten wagte ein begabter Kopf, den Damm der herkömmlichen Heilmethoden zu durchbrechen. Und so erhielt die Blinde nach beendigtem Kopfschütteln eine kühlende Einreibung nebst einer Auflösung von Galizienstein und wurde dann mit einigen Trostesworten entlassen.
    Im Gasthofe fanden sie den Fuhrmann ihretwegen in großer Verlegenheit. Die heutige Rückfracht war so bedeutend, daß der Waagen hochauf vollgeladen war und an ein bequemes Sitzen nicht gedacht werden konnte. Glücklicher Weise überholte sie bald ein leerer Kutschwagen, dessen Führer sie mit einem mitleidigen Blicke betrachtete und dann nach dem Ziele der Reise fragte.
    »Wir fahren nach Ernstthal.«
    »Ich fahre auch dahin. Wenn Ihr wollt, so könnt Ihr bequemer und schneller nach Hause kommen. Steigt zu mir herüber.«
    Das freundliche Anerbieten wurde angenommen, und schon saß Auguste in den weichen Kissen, als plötzlich die Pferde scheuten und im schnellsten Laufe mit dem Fuhrwerke davongingen. Es dauerte eine geraume Zeit, ehe das Gespann zu einem langsameren Schritte gebracht werden konnte, und als das Mädchen den Kutscher bat, auf die Mutter zu warten, klang seine Antwort abweisend.
    »Wir sind ihr nun zu weit voraus, und ich darf nicht halten, weil die Pferde zu feurig sind und ich auch zur bestimmten Zeit eintreffen muß. Willst Du warten, so kannst Du aussteigen.«
    Freilich schien es ihm mit dem Letzteren nicht Ernst zu sein, denn er machte keine Miene, die Zügel zu pariren, und das Mädchen hatte ja auch keine Ursache, dem Manne zu mißtrauen. Es saß sich hier so warm und weich, und für die Mutter war das Fahren auf den Kisten jedenfalls nun auch weniger beschwerlich geworden. Sie lehnte sich in die Ecke zurück und war bald in einen so festen Schlummer gefallen, daß sie nicht bemerkte, wie es mittlerweile Nacht wurde und der Wagen hielt, um den Junker aufsteigen zu lassen, der die leise Frage ausstieß:
    »Alles gelungen?«
    »Alles.«
    »Gut. Wir biegen später von der Straße ab und fahren nach dem kleinen Waldhäuschen, wo Du sie aussteigen und eintreten lässest noch ehe sie so recht aufmerksam wird. Vorwärts.«
    Daß kurze Zeit darauf der Geselle sich hinten aufsetzte, wurde nicht wahrgenommen, und so ging die Fahrt von der Chaussee ab in den Wald hinein und endete vor einer Hütte, welche bestimmt war, den Forstleuten während der Nacht oder vor unangenehmem Wetter Schutz zu bieten. Der Kutscher stieg ab und öffnete, während der Blauweiße schnell im Innern verschwand, den Schlag.
    »Na, da sind wir. Du kannst aussteigen.«
    Noch halb schlaftrunken, fiel es ihr gar nicht auf, daß der ihr vollständig fremde Mensch sie noch gar nicht nach ihrer Wohnung gefragt habe. Sie folgte der leitenden Hand und

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