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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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– ja, der Heiner bekommt sie nun und nimmermehr; er würde auch gar nicht bereit sein, sie zu singen; aber es giebt noch Einen im Dorfe, der eine leidliche Stimme dazu hätte, und das ist der Teichhofbalzer. Ich werde mir die Sache überlegen. Jetzt wollen wir einmal die Partitur hernehmen und sehen, ob Ihnen Ihre Aufgabe gefällt!«
    Es war schwer, mit dem alten, menschenfeindlichen Dirigenten in Beziehung zu treten. Sie hatte das gewußt und bemerkte daher mit freudiger Genugthuung den unerwarteten Erfolg ihres fast mit Zagen unternommenen Besuches. Sie gab sich daher der beginnenden Uebung mit fröhlichem Eifer hin, und ihre Stimme drang, getragen von den vollen, rauschenden Akkorden des Piano’s, durch das geöffnete Fenster hinaus auf die Straße und hinüber in die Wohnung Silbermanns, wo der Vater die glückliche Rückkehr des Sohnes mit einem Thema feierte, welches den Angelpunkt einer jeden häuslichen Unterhaltung zu bilden pflegte.
    »Ja, da bist’ nun wieder ‘mal von der Reis’ nach Haus’, und nun beginnt die alte Sorg’ und Noth von Neuem. Da hast’ das schöne Geld, was auf Dein Antheil kommt, her auf den Tisch gezählt, und was wirst damit mach’n? In die Truh’ wirst’s steck’n, wo das andere auch schon ist, und da mag’s lieg’n bis zum jüngst’n Tag oder bis ‘mal Aaner kommt, der’s mit den heilg’n zehn Gebot’n net genau nimmt. Jetzt machst’ im Winter neue Lieder und Gesäng’; im Frühjahr geht’s wieder hinaus in die Fremd’; das ist so die alte Leier, und ich armes Würm sitz daheim, einsam und verlass’n, und kann sehn, wie mir die Zeit vergeht! Zu thun hab’ ich alleweil’ ganz genug, das ist schon wahr, und bei dem Vogelzeug giebts auch zuweil’n aan wenig Zeitvertreib. Aber Mensch ist doch immer Mensch, und wenn Du geheirathet hättst, so wär doch Jemand bei mir, wenn Du net daheim bist, und ich braucht mich auch net so um nix und All’s zu bekümmern. Wo kaane Frau im Haus’ ist, da giebts nur eitel Unordnung und Aergerniß, und ich sag’ Dir, das muß anders werd’n, sonst lauf’ ich noch davon!«
    »Thu’s net, Vater,« lachte Heiner; »Du wärst sonst im Stand’ und kämst nachher wieder!«
    »Ich? Wiederkommen? Fällt mir gar net ein! Wenn ich fort bin, so bin ich fort, und Du magst nachher schaun, wer Dir die Strümpf’ ausbessert und die abgeriss’nen Knöpf’ wieder festmacht! Ja, wenn die Alwin’ wiederkäm’, das lüderliche Ding, da wärst’ recht gleich bei der Hand, net wahr? Die sitzt Dir noch heut im Kopf und will auch nimmer heraus. Wie schön könntst’ Dich einricht’n mit dem Geld, und wie fein und lieblich wär’s, wenn hier im Haus’ aan hübsches Fraule schalt’n thät und walt’n! Ich glaub’, mir wär’s alle Tag’ als hätt’ der heilige Christ bescheert!«
    »Ja, das wär’ ganz dieselbe Herrlichkeit, wie zum Frühjahr mit dem Hänfling, der auch der best’ war weit und breit und doch dann auf den ›Zapp‹ gefall’n ist, so daß Du ihn net länger brauch’n konnt’st! Aber horch, was ist das für aan Gesang da drüb’n beim Kantor?«
    »Waaß’s net! Was geht mich dem sein Geklimper an?«
    »Das ist – das ist ja mein Lied! Hörst Vater:
     
    ›Drum sorge, daß kein Herzeleid
    Du jemals hier verschulden magst.
    Es kommt die Stund, es kommt die Zeit,
    Wo Du die schwere Schuld beklagst!‹«
     
    »Der Kantor, der mich net ersehen mag, läßt mein Lied singen! Und welche aane Stimm’ ist das! Ich – ich kenn’ sie – das ist niemand andres als – als die Alwin! Hörst, Vater? Horch!«
    »Geh mir aus dem Weg mit der Stimm’ und sammt der Alwin’! Wo soll denn das Madel herkommen? Ich mag von ihr und all dem Kantorvolk net das Geringst’ mehr hören. Oder waaßt vielleicht net, warum? Ich will gar nimmer davon red’n, sonst könnt’ mir am End die Gall’ überlauf’n, und die ganze Sipp’ ist doch net werth, daß man sich darüber ärgert.«
    Heinrich hatte das Fenster geöffnet. Er hatte die Worte des Vaters wohl kaum vernommen; er horchte hinüber nach der Schulwohnung, wo sich jetzt neue Klänge vernehmen ließen, denen er mit höchster Spannung lauschte.
    »Das ist die Kantat’, eine Weihnachtskantat’, die er spielt. Und jetzt beginnt auch der Gesang!«
    Es war ein tiefer, ein wunderbarer Eindruck, den die Töne auf ihn machten. Er schloß das Fenster und eilte zur Thür.
    »Wo willst’ hin, Heiner?« rief der Vater.
    »Ich waaß net, aber meine Kantat’, die muß ich hör’n,

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