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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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heraus.
    »Sehr gern,« antwortete er treuherzig.
    »Aber net mit mir?«
    »Mit Dir am Allerliebst’n, Alma. Warum denn net?«
    »Weil Du so aan absonderlich’ Gesicht machst.«
    »Sag, was willst’ für aan’s?«
    »So wie damals, als – als – als – –«
    Er wartete einige Augenblicke; als aber das sich besinnende Mädchen nicht fortfuhr, ergänzte er:
    »Als damals auf dem Fichtler?«
    »Ja, als Du zum letzt’n Male mit der Alwin’ droben gewes’n bist.«
    »Mit der Alwin’?« Sein offenes Gesicht nahm den Ausdruck tiefsten Erstaunens an. »Wie kommst’ dazu, davon zu wiss’n? Denn nur die Alwin’ und ich, wir haben’s gewußt.«
    »Ich sag’s Dir später, Heiner!«
    »Wann!«
    »Wenn Du mir auch ‘mal so viele Gedicht’ geschenkt hast wie ihr.« Seine Verwunderung wuchs.
    »Auch dies hast’ vernommen? Aber Du darfst ja doch kaan Gedicht von mir erhalt’n!«
    »Weshalb.«
    »Bei ihr durft’s geschehen, denn sie hat mich lieb – – gehabt.«
    Er legte den Nachdruck auf das letzte Wort, und dabei ging es über sein Gesicht wie eine tiefe Traurigkeit.
    »Dann hat sie Dich verlass’n!«
    Er antwortete nicht, sondern neigte nur leise den Kopf. Da grub sich ihre kleine, behandschuhte Hand aus den Pelzen hervor und legte sich auf seinen Arm.
    »Kannst sie wohl gar nie vergess’n, Heiner?«
    »Was hilft’s, wenn ich d’ran denk! Der Leichtsinn ist besser d’ran als ich; der lacht und nimmt den Wechsel.«
    Er schwang die Peitsche und ließ die Thiere weiter ausgreifen, als wolle er durch den rascheren Galopp der Erinnerung entgehen. Sie aber ließ ihn nicht los.
    »Hättst auch ‘was Andres find’n sollen!«
    »Ich hab’s net vermocht. Und wenn ich’s gewollt hätt’, wohin sollt’ ich schaun?«
    »Recht hast’, Heiner; sie sind für Dich zu schlecht.«
    »Nein, zu schlecht net, Alma, sondern zu obenhin. Wer tief baut, will auch tief wohnen und dann verstand’n sein.«
    »So willst’ allein bleiben fürs Leb’n?«
    »Es kann net anders sein!«
    Sie zog die Hand zurück und ließ den Blick mit tiefer Theilnahme auf ihm ruhen. Das junge Mädchen war innerlich weit über ihre Jahre hinaus entwickelt; sie mußte von einer ausgezeichneten Mutterhand geleitet worden sein, und ihr bisheriges Leben war vielleicht nicht blos ein Weg durchs Glück gewesen.
    »Waaßt, Heiner, daß ich Dich gar oft schon gesehen hab?« unterbrach sie das Schweigen wieder.
    »Wo?«
    »An Deinem Fenster, wenn ich beim Kantor bin. Er wollt’ die Kantat’ aufführ’n, aber es geht net, weil der Solotenor fehlt.«
    »Er mag den Balzer nehmen!«
    »Das macht’ er auch; aber der ist ja so fertig worden, daß niemand mit ihm singen möcht.’ Heut war er auf dem Teichhof bei der Mutter.«
    »Der Balzer? Was hat er dort zu schaff’n?«
    »Hausmeister wollt’ er werd’n, dann Knecht und nachher Tag’löhner.«
    »Und was ist ihm für Antwort geschehn?«
    »Die einz’ge die es giebt. Er hat gehen müss’n. Es mag ihn niemand mehr, und nur der Kantor spricht net ganz bös von ihm.«
    »Weil er ihn hat zum Schwiegersohn machen woll’n. Der Balzer ist an mir und Allem schuld.«
    »Der Balzer und das Theater, net wahr, Heiner?«
    Fast hätte er mit einem Ruck die Pferde angehalten, so durchzuckten ihn diese Worte.
    »Alma, bist’ etwa allwissend?«
    »Nein,« lächelte sie.
    »So sag’, woher Du so All’s erfahren hast!«
    »Schreib mir erst die Gedicht’!«
    Hatte er ihr nicht gesagt, weshalb er das nicht dürfe? Und nun forderte sie ihn dennoch wieder auf!
    »Sei doch net so schlimm zu mir, Alma!«
    Verstand sie, was er sagen wollte und doch kaum selbst verstand? Sie schlug die Augen nieder, und der Schleier verhüllte seinem Blicke ihr tiefes Erröthen. Schon vor langer, langer Zeit, schon in der Ferne hatte sie von ihm gehört und seinen Namen gekannt. Obgleich noch Kind, war sie die einzige Vertraute einer reumüthigen Seele gewesen, welche täglich und stündlich an den einfachen erzgebirgischen Vogelsteller denken mußte, obgleich sie von allem Luxus eines reichen und hochgestellten Lebens umgeben wurde. Die kranken, bleichen Züge zuckten wehmüthig, wenn sie den Silberheiner nannten, und Alma war es dabei, als müsse sie einen Theil der Schuld auf ihre junge Seele nehmen, um sie zu sühnen für das einzige Wesen, welches ihr nahe stand. Nun war sie hier, hatte ihn gesehen, ihn gesprochen, er saß an ihrer Seite und – war es dieses Bedürfniß der Sühne oder war es etwas Anderes, sie hätte ihre Arme

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